Liebe Leserinnen und Leser,

die Rubrik "Geschichte & Geschichten" soll mit historischen, liebenswerten, skurrilen Geschichten aus den Ortsteilen Röttgen und Ückesdorf unterhalten. Den Anfang hat Stefan Zimmermann mit der Lebensgeschichte Hubert Maurers gemacht. Wenn auch Sie etwas über die Historie, alte Gebäude, längst vergessene Traditionen, Kriminalfälle, Skurriles aus dem Ort, oder einfach nur über ihren Lieblingsplatz in und um unsere beiden Ortsteile in Wort oder Bild zu berichten haben, nutzen Sie das Kontaktformular und melden Sie sich bei mir. Alle, vom Kind bis zum Rentner, können sich beteiligen und Ihr Röttgen/Ückesdorf vorstellen. Wer mag kann mir auch gern einen selbst verfassten Text zukommen lassen. Keine Angst, es muss nicht immer so lang und ausführlich sein wie die Geschichte von Hubert Maurer - kurz und knackig geht auch!  Ich bin gespannt und freue mich auf Ihre Geschichten.

Vera Goßmann schreibt zum 1. Ortsflohmarkt in Röttgen und Ückesdorf

Pädagogische Leiterin des ökumenischen Jugendtreffs RAN!: Vera Goßmann
Pädagogische Leiterin des ökumenischen Jugendtreffs RAN!: Vera Goßmann

Liebe Ortsflohmarkt-Teilnehmer!

 

Am vergangenen Sonntag fand unser erster Ortsflohmarkt in Röttgen und Ückesdorf bei herrlichem Herbstwetter statt.

 

Sie waren dabei – zusammen mit rund 200 Teilnehmern! Ein herzliches „Dankeschön!“ an alle, die mitgemacht haben.

 

An den meisten Ständen haben wir eine tolle Stimmung erlebt - unabhängig von dem sehr unterschiedlichen Verkaufserfolg. Teilweise gab es ein kleines ‚Straßenfest‘ mit den Nachbarn!

 

Leider konnten wir nicht alle Stände abfahren, bei so vielen Teilnehmern - und das hat uns wirklich überwältigt - war das nicht möglich. Ich hoffe, Sie sehen es uns nach, wenn wir an Ihrem Stand nicht gewesen sind.

 

Einige Vorschläge, was wir anders/besser machen können, haben uns schon erreicht. Wenn Sie konstruktive Kritik und Ideen haben, was wir verbessern können, schreiben Sie uns bitte bis Sonntag den 6. Oktober 2019 eine Mail. Wir werden danach die eingehenden Antworten auswerten. (ran-treff@web.de)

 

Für die tolle Zusammenarbeit – nicht nur beim Ortsflohmarkt – danken wir vom RAN! ganz besonders und von ganzem Herzen Ilse Düngelhoef von Röttgen-online. Ohne Ihre tatkräftige Mitarbeit wäre diese Veranstaltung nicht das geworden, was sie war: ein voller Erfolg. Ich hoffe, Sie besuchen alle fleißig Ihre Online-Seite für unsere Stadtteile und nutzen dieses Forum, um Ihre Dienstleistungen dort zu inserieren und sich über Aktuelles zu informieren.

 

Ob wir diese Veranstaltung im kommenden Jahr ein weiteres Mal organisieren und finanzieren können (ein hoher Zeitaufwand für uns und einige hundert Euro für die Werbung), hängt ganz stark davon ab, was Ihre Werbung dem Jugendtreff RAN! an neuem Zulauf beschert.

 

Dieser Flohmarkt sollte zum einen die Menschen in unseren Ortsteilen mehr in Kontakt bringen - das haben wir, denke ich erreicht - und zum anderen unseren Jugendtreff stärker bekannt machen. Also bitte kräftig die Werbetrommel rühren:

Kinder und Jugendliche von 6 bis 21 Jahren heißen wir gerne in unserem Treff willkommen. Wir haben Raum zum Chillen, Freunde treffen, Kochen, Basteln und Spielen. Außerdem stehen Outdoor-Spielgeräte, Spielkonsolen, Billard (neuer Tisch), Kicker und Airhokey zur Verfügung. (Natürlich auch Bücher, Spiele Bastelmaterial...). Dazu gibt es Feten und Sonderaktionen - auch Ferienprogramme bieten wir an. Unsere Web-Site: www.ran-bonn.de

 

Unsere Räumlichkeiten liegen auf dem Schulgelände des CvOs in Ückesdorf. An der Aula die Stufen herunter, rechter Hand. Wir haben dienstags, donnerstags und freitags von 15:00 bis 19:00 Uhr geöffnet. Der Besuch ist kostenfrei. Bei uns ist immer eine pädagogische Fachkraft, oder ein/e geschulte/r Mitarbeiter/in vor Ort.

 

Wir freuen uns natürlich auch über Spenden und neue Mitglieder. Da der Vorstand nur minimalst besetzt ist, heißen wir auch gerne Menschen willkommen, die uns in unserem Verein und in der Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen unterstützen.

 

Ein herzliches „Danke!“ geht auch an den Vorstand von RAN!, Dr. Guido Fechner (erster Vorsitzender) und Volker Baumeister (Schatzmeister). Nur durch ihre Unterstützung und das in uns gesetzte Vertrauen, konnten Ilse Düngelhoef und ich diesen Ortsflohmarkt organisieren.

 

Vera Goßmann, vom Jugendtreff RAN!

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Flohmarkt-Geflüster

Es ist noch nicht mal elf Uhr und schon kreisen die ersten Flohmarktbesucher durch den Ort, ziehen an meinem im Aufbau befindlichen Stand vorbei. Sie kommen zu Fuß, bleiben stehen, betrachten meine Auslagen, fragen dies und das und machen sich mit dem Lageplan in der Hand auf zum nächsten Stand. Andere schleichen langsam in ihren Autos an den Ständen vorbei. Die meisten von ihnen haben Bonner Kennzeichen, aber auch Siegburger und Euskirchener sind dabei. Manchmal halten sie auch an, aber aussteigen tun sie nur, wenn ihnen etwas Besonderes ins Auge sticht. Die dritte Gruppe sind die Radfahrer. Gemächlich schieben sie ihre Drahtesel entlang der Tische in den Garageneinfahrten und Carports, betrachten die Waren, kaufen etwas oder auch nicht, bevor sie wieder aufsteigen und zu den nächsten Verkäufern radeln, die auch schon auf Kundschaft warten. So geht es kreuz und quer durch Ückesdorf und Röttgen.

 

Sie kommen aus Meckenheim, Friesdorf, Kessenich, Endenich, Witterschlick, Duisdorf und aus den Nachbarorten Ippendorf, Lengsdorf vom Brüser Berg und vom Venusberg. Auch Ortsansässige lockt der Flohmarkt zu einem Spaziergang durch den eigenen Ort. Über 200 Stände ziehen sich durch Röttgen und Ückesdorf. Da kommt man schon ordentlich rum und hat obendrein viel zu gucken – nette Gespräche inklusive.

 

Das Angebot bestimmt die Nachfrage

Meine Mutter kommt vorbei, im Gepäck hat sie Trödel, den ich auch noch anbieten könne, denn „Zu einem Flohmarkt gehört auch alter Plunder“ sagt sie, nicht nur Spiele, Bücher und Playmobil Spielzeug wie ich es anbiete. Aus der Kiste holt sie kleine versilberte Tabletts und Schälchen hervor, deren Versilberung an vielen Stellen schon abgeblättert ist, einen Zigarrenabschneider, der am unteren Ende eines Rehgeweihs angebracht ist, kleine Ohrstecker und –Clips sowie anderen Krimskrams und eine silberne Brosche in Rosenform. Am Stängel ist rückseitig die Anstecknadel befestigt, die üppige Blüte ist mittig mit drei stecknadelkopfgroßen grünen Edelsteinen besetzt. Ein Erbstück –vermutlich von einer Großtante, die keiner von uns mehr kennt. Ein geschmacksverirrtes Kleinod, das seit Jahrzehnten ein Schattendasein in einer entlegenen Kramschublade gefristet hat. Wir überlegen gerade, ob man dieses Stück, von dem wir nicht mal sicher wissen, ob es echt ist, überhaupt anbieten kann, als mein Mann und meine Kinder zu uns stoßen. „Boah, was isn das fürn hässliches Teil“, entfährt es ihnen so oder ähnlich. Wir beschließen es trotzdem zu versuchen.

 

Endlich kommt ein Käufer an meinen Stand und ich kann es kaum glauben: er interessiert sich ausschließlich für eben diese Brosche! Noch weniger glaube ich, dass er sie am Ende seiner intensiven Betrachtung tatsächlich kauft. Wert und Schönheit liegen wohl doch immer im Auge des Betrachters.

 

Später erfahre ich, dass viele andere Verkäufer ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Besonders gefragt war echter Trödel: Rosenthal-Teller von 1910, alte Wanduhren und kleine Kachelöfen zu Dekozwecken, Spieluhren, Picknickkörbe und ähnliches, während Kinderbekleidung, Spiele und Playmobil-Sachen nur mäßigen Absatz fanden.

 

„Viel Wind für Nichts“, aber ´ne Menge Action

Am Stand einer Nachbarin etwa 150 Meter die Straße hinunter tummeln sich Interessenten, die offensichtlich viel Spaß haben, während bei mir gerade Flaute herrscht. Ich schicke meine Söhne auf „Spionagemission“ dorthin.

 

Es dauert lange bis sie wieder zurückkommen. „David und Jonas verkaufen ihre Nerfs“, berichten sie. Ein wahres „Waffenarsenal“, das zahlreiche Jungen anzieht, die sich mit Begeisterung gegenseitig beschießen. „Mittlerweile haben die Nachbarn ihre Hecke mit großen Bettlaken abgehängt, damit die Pfeile nicht unwiederbringlich verschwinden“, erzählen meine Jungs noch. „Dafür habt ihr so lange gebraucht?“ „Nee“, antworten sie zögerlich, „wir haben da noch ein bisschen mitgemacht.“ Ja klar. Aber toll, so bot der Flohmarkt neben zahlreichen Schnäppchen auch viel Action. Verkauft wurden die Nerfs –und das nehme ich hier vorweg- allerdings nicht. Bei so viel Spaß werden sie aber vielleicht doch noch mal zum Eigengebrauch mit den Nachbarsjungen reaktiviert.

 

Stimmungsbarometer im Hoch

Ich überlasse unseren Stand meinen Söhnen –sind ja schließlich ihre Sachen, die verkauft werden sollen- und mache mich auf den Weg durch Ückesdorf. In der Henriettenstraße treffe ich auf den „Club der lustigen Männer“. Fünf, sechs Nachbarn sitzen gemeinsam im Vorgarten, genießen die Sonnenstrahlen bei einem Bier und winken mir zu, als ich vorbeiradle. Hier wird erzählt und viel gelacht in Tonlagen vom Bariton bis zum Tenor, während die Frauen einige Verkäufe tätigen und gut gelaunt mit den Besuchern schwatzen.

 

Ich biege ab in die nächste Straße. Hier bietet sich mir ein ähnliches Bild. Bunte Luftballons und Wimpel lassen schon von weitem erkennen wo die nächsten Stände sind. Auch hier gute Stimmung und entspannte Verkäufer. Einige bieten zusätzlich selbstgebackenen Kuchen, frische Waffeln und Kaffee an.

 

Ich fahre weiter und treffe auf einen Mann in der Nachbarschaft, der etwas verloren hinter seinem kleinen Stand dreinschaut. Wir unterhalten uns eine Weile und er gesteht mir: „Bin ich froh, dass Sie nichts kaufen wollen.“ Ich wundere mich, als er fortfährt: „Wissen Sie meine Frau ist mit den Kindern gerade mal losgezogen, um bei den andern zu gucken. Jetzt stehe ich hier und weiß nicht, was ich für die Sachen nehmen soll.“ Er umklammert sein Handy mit

der rechten Hand. „Ich hab sie schon ein einige Male angerufen, um Preise abzufragen. Aber das ist gar nicht so einfach.“ Vor ihm auf dem Tisch liegen zahlreiche blaue Pullover und Jacken, die sich auf den ersten Blick ähneln. Auf dem Boden reihen sich Damen-, Herren- und Kinderschuhe aneinander –bevorzugt in braun, blau und schwarz. Dass die Kommunikation da trotz Smartphone zur Herausforderung werden kann, leuchtet ein. Wir plaudern noch ein Weilchen miteinander und er entspannt sich ähnlich wie sein Kater, der ausgestreckt in dem offenen Gartentürchen hinter ihm liegt.

 

In der Straße „Auf den Steinen“ haben sich Nachbarn unter ihrem großen Carport zusammengefunden und einen Gemeinschaftstand errichtet, der an die großen Marktstände auf dem Marktplatz vor dem alten Bonner Rathaus erinnert. Interessenten werden freundlich und gut gelaunt bedient. Dann und wann prostet man den Nachbarn auf der anderen Straßenseite mit einem Prosecco zu. So wie hier geht es auch in vielen anderen Straßen zu. Das Ganze hat einen Touch von Straßenfest.

 

Ungeplanter Zwischenstopp für Fahrgäste eines Linienbusses und Familienklatsch

Hubertusstraße: Die Hauptschlagader für SWB-Busse von und zum Haltepunkt Ückesdorf Mitte. Hier erzählt mir eine Verkäuferin, dass sie nur zu gern ein kleines Hüpfpferd losgeworden wäre. Viele Kinder hätten dieses Pferdchen auch allzu gern mitgenommen. Aber alles Quengeln und jeglicher Tränenbach scheiterten an den Eltern, die sich weigerten, das Pferdchen durch den Ort zu schleppen. Plötzlich machte der Fahrer eines Linienbusses vor ihrem Stand Halt, kurbelte das Fenster herunter und deutete mit dem Worten „Hund“ auf Etwas hinter ihr. Sie habe ein wenig gebraucht, um zu begreifen, dass das Hüpfpferdchen gemeint war. „Kostet?“ – „Ach, fünf Euro.“ – „Kaufe.“ Flugs stemmte sie das Hüpfpferdchen hoch und reichte es dem Fahrer durch das Busfenster.

 

Ob die wenigen verblüffen Passagiere, eine Runde gratis durch den Gang des Busses hüpfen durften ist leider nicht übermittelt. Sicher aber ist, dass das Pferdchen als Hund komfortabel abtransportiert wurde und sich die Kinder des Fahrers über das unverhoffte Mitbringsel gefreut haben dürften.

 

Ähnliche Geschichten hatten auch die Röttgener parat. So traf ein Herr aus Röttgen an einem der Stände rein zufällig auf einen Teil seiner großen Verwandtschaft, zu der er nur losen Kontakt hat und die er vor vielen Jahren zuletzt gesehen hatte. Dass es sich bei dem Paar neben ihm um Verwandte handelte realisierte er aber erst, als jemand das Ehepaar mit Familiennamen ansprach. „Das war ein tolles Ding“, sagt er begeistert. „Wir haben noch lange

miteinander erzählt und uns ausgetauscht an diesem schönen Nachmittag.“ So hatte der Flohmarkt viele Facetten – selbst Familienzusammenführungen gehörten dazu.

 

Umsatz mäßig –Gewinn auf Rekordniveau

Obwohl sich letztendlich alle ein wenig mehr Zulauf gewünscht hätten, hatten die meisten Verkäufer, mit denen ich gesprochen habe, von vornherein keine großen Verkaufserwartungen und waren mit dem Ergebnis zufrieden. Dennoch darf nicht verschwiegen werden, dass es auch enttäuschte Gesichter gab. Insbesondere Teilnehmer, die in abseits gelegenen Straßen als Einzige einen Verkaufstand errichtet hatten, wurden kaum bis gar nicht frequentiert. Hier wäre sicher ein wenig Fantasie und Eigeninitiative förderlich gewesen. Ähnlich „benachteiligte“ Verkäufer konnten dies kompensieren durch große selbstgemalte Hinweisschilder aus Pappe oder durch bunte Pfeile, die sie mit Kreide als Richtungsweiser auf´s Trottoir gemalt hatten. Bei einem derart reichlichen Angebot musste man schon auf sich aufmerksam machen.

 

Sicherlich gibt es noch viel mehr Geschichten, die es wert wären hier erzählt zu werden. Leider reichte die Zeit nicht aus, um mehr Stände, geschweige denn alle, anzusteuern.

 

Als ich wieder zu Hause ankomme, treffe ich eine Bekannte an, die ich schon zehn Jahre nicht mehr gesehen habe. Lange stehen wir beisammen, tauschen Neuigkeiten aus und freuen uns über dieses zufällige Treffen.

 

Der Zufall ist zum Glück nicht planbar

Insgesamt lässt sich festhalten, dass der Flohmarkt ein gut organisierter schöner Event war, dem zusätzlich viele Zufälle zu Gute kamen – unter anderem 25 ° und Sonnenschein. Aber auch der Zufall braucht Raum, damit glückliche und schöne Momente entstehen können. Dass dies so gut funktioniert hat, ist letztendlich nicht der Verdienst der Organisatorinnen vom RAN! und Röttgen Online, freut uns aber sehr, denn den zwischenmenschlichen Austausch im Ort zu beleben war eines unserer Anliegen.

 

Obwohl niemand an diesem Tag den großen Reibach gemacht hat, war der erste Ortsflohmarkt für die meisten ein Gewinn jenseits monetärer Messbarkeit.

 

 

Ich habe mich entschlossen, hier einige Geschichten um den Flohmarkt herum zu erzählen. Bitte lesen Sie auch das Schreiben von Vera Gossmann vom Jugendtreff RAN!, die die Aktion aus anderer Perspektive „nachbereitet“ hat.

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Prinz Simon I. und Prinzessin Lilli II. öffentlich und ganz privat

Acht Kinder-Tollitäten gibt es in dieser Karnevalssession im Bonner Raum. Aber nur eines verfügt über ein eigenes Schloss: Das Röttgener  Kinderprinzenpaar Prinz Simon I. (Simon Butscheid, 9 Jahre) und Prinzessin Lilli II. (Lilli Bauch, 9 Jahre). Zwar handelt es sich dabei nur um einen Nachbau des einst von Kurfürst Clemens August (1700 – 1761) hier errichteten Schlosses Herzogsfreude –aber immerhin.

 

Nach der offiziellen Proklamation des amtierenden Prinzenpaares im November 2018 zeigen sie sich gern auf dem Balkon ihres Palastes dem närrischen Volk.

Für die offiziellen Aufgaben  während der fünften Jahreszeit steht dem Prinzenpaar der Session 2018/19 ein eigener Stab zur Verfügung.

Hierzu gehören die Pagen des Prinzenpaares: Die Zwillingsschwestern der Prinzessin Lina und Lotte, beide 5 Jahre alt sowie Jakob (5 Jahre), der jüngere Bruder des Prinzen. (Foto links)

Die Terminorganisation bzw. die Tagesplanung übernehmen die Eltern des Regentenpaares. Falls erforderlich fungieren sie auch als Attaché, Koch, Wäscherinnen, Zofen, Chauffeur, Finanzminister...

Insbesondere die Mütter bringen viel Erfahrung hinsichtlich der Regierungsgeschäfte mit. So war Anja Butscheid 1984 als Anja I. selbst einmal Kinderprinzessin in Röttgen/Ückesdorf. Nennen wir sie Queen Mom I.

Zehn Jahre später trat Christina Bauch in ihre Fußstapfen und regierte als Christina I. über Röttgen und Ückesdorf. Bleiben wir bei der Terminologie und nennen sie Queen Mom II.

The royal familiy. Die ganze Bagage zusammen: Prinzenpaar mit Ureltern, Großeltern, Eltern und Geschwistern.
The royal familiy. Die ganze Bagage zusammen: Prinzenpaar mit Ureltern, Großeltern, Eltern und Geschwistern.

Beide, Prinz Simon und Prinzessin Lilli, entstammen einer langen Ahnenreihe aus Vollblut-Karnevalisten. Eltern, Omas, Opas und auch die Ureltern - alle jeck und knatschverdötsch!

Sie alle sind und waren im Karneval aktiv. Beinahe alle tanzen in einer der Tanzgruppen der Prinzengarde Weiß-Rot Röttgen. Von der Wiege in die Prinzengarde hieß es auch für das amtierende Kinderprinzenpaar. Und sie haben Spaß dabei. So ist Simon I. nicht nur Tänzer in der Garde, sondern seit 2013 auch Jugendfahnenträger. 

 

Bei so viel jeckem Blut und Liebe für´s rheinische Brauchtum sind Reden ans Volk in waschechtem Bönnsch kein Problem für die beiden. "Das haben wir alles nebenbei erlernt", sagen sie. Über kölsches Liedgut und Gesprächen auf Platt mit den Großeltern. Vor allem Queen Mom I. und Queen Mom II. sind stolz. "Natürlich haben wir gehofft, dass die beiden einmal in unsere Fußstapfen treten, erzwungen haben wir es aber nicht." Schon im Kinderwagen wurden Simon und Lili mit zum Karneval genommen. Kein Wunder, dass ihnen die Karnevals-Etikette in Fleisch und Blut übergegangen ist. So bewegen sie sich heute sicher und ungezwungen auf dem jecken Parkett. Ansprachen ans Volk, Orden verleihen, tanzen, Hände drücken, Dankesreden, andere Royals treffen -Pflichten, die auch noch "richtig Spaß machen", sind sich beide einig. Das größte Anliegen des Prinzenpaares ist es, ihre eigene Freude zu zeigen und weiterzugeben. "Es ist eine Ehre Prinz sein zu dürfen", ergänzt Simon I. noch. 

 

Rund 50 bis 60 öffentliche Auftritte werden die beiden am Ende dieser Session absolviert haben. "Und alle waren toll. Auch wenn wir immer die gleiche Rede halten, sind alle Auftritte anders und das Publikum ist immer wieder anders, so dass es nie langweilig wird", so Prinzessin Lilli I. Trotzdem, ein Highlight, war der Überraschungsbesuch des Oberbürgermeisters bei der Ü-50 Karnevalsfeier in Röttgen, als Ashok-Alexander Sridharan ihnen seine Ehrennadel verliehen hat. "Der war so nett zu uns, hat uns zugehört und zugeguckt. Und er hat mir versprochen, dass er versucht Olympia 2032 nach Bonn zu holen", erzählt Simon, der vor kurzem Regionalmeister im Schwimmen (400 Meter Freistil) in seiner Altersklasse geworden ist. Für den Leistungsschwimmer des SSF Bonn gab es daher noch ein weiteres Highlight: Den Auftritt bei der Sportlersitzung von BSC/SSF vor 1000 Leuten! "Das war sehr aufregend, zumal ich da noch ganz unerwartet Besuch von meiner Trainerin und einer verletzten Schwimmerin aus meinem Team bekommen habe - das war echt klasse", strahlt er.

Obwohl Prinz und Prinzessin ihren eigenen ungezwungenen entwickelt Stil haben, gab und gibt es auch für sie karnevalistische Vorbilder, denen sie nacheifern.

Für Lilli ist es in erster Linie ihr Opa, Willi Juchem, 1. Vorsitzender der Röttgener Prinzengarde Weiß-Rot. "Der kann einfach gut reden und wo er auftaucht ist Stimmung", sagt sie. Simon findet den Frontsänger der Höhner, Henning Krautmacher, super, den er auch bei der Veranstaltung "Bonn steht Kopp" persönlich treffen konnte. "Ich finde die Lieder von den Höhnern prima und vor allem finde ich es toll, dass er trotz des megamäßigen Erfolgs so normal und total nett geblieben ist."

Aber auch das amtierende Bonner Prinzenpaar sei cool. "Die lassen sich überall Zeit, lassen jeden ausreden und warten bis die Gruppen ihre Tänze beendet haben", erzählt Lilli, die selbst einmal Bonna werden will.

Auftritte, Freunde, Schule Hobbies müssen unter einen Hut

Bodenständig sind auch Prinz und Prinzessin geblieben. Privat besuchen sie beide die vierte Klasse der Schlossbachschule in Röttgen.  Da gefällt es ihnen ganz gut, und deshalb haben sie ihre Schule auch auf ihrem Orden verewigt. Simons Lieblingsfächer sind Mathe, Sachkunde und Sport. Und auch Lilli mag diese Fächer sehr.

 

Sowohl ihre Klassenlehrerin als auch ihre Mitschülerinnen und -schüler seien sehr stolz auf sie beide. Allerdings, so geben beide zu, kämen die Treffen mit Freunden während der Session etwas zu kurz. "Aber das ändert sich ja spätestens Aschermittwoch wieder und wir haben ja uns", sagen sie. Lilli und Simon verstehen sich nämlich auch privat prächtig. Beide haben schon als Babys und im Laufstall zusammen gespielt und sind nach wie vor unzertrennlich.

 

Auftritte, Hobbys, Schule und Hausaufgaben, wie bringt man das alles unter einen Hut?

"Ach, das klappt schon," meint Simon I. An Weiberfastnacht sind beide von der Schule befreit. "Einzig mein Schwimmtraining kommt während der Session ein bisschen zu kurz." Aus Zeitgründen könne er dann nur an drei Trainingseinheiten in der Woche anstatt an vier teilnehmen. "Aber meine Trainer stehen voll hinter mir."

 

Lilli II. hat es da etwas schwerer. "Manchmal ist es echt knapp mit den Hausaufgaben", erzählt sie, "Ich brauche einfach länger, um mich für die Auftritte fertig zu machen. Das Ornat ist etwas schwieriger anzuziehen, das Make-Up und auch die Frisur sind einfach aufwendiger - das dauert eben." Wie gut, dass die Klassenlehrerin schon mal ein bis zwei Augen zudrückt. Nachliefern muss Lilli ihre Hausaufgaben aber dennoch.

 

Trotz der kleinen Einschränkungen sind beide froh darüber ihren Heimatort als Prinz und Prinzessin repräsentieren zu dürfen. "Es macht einfach nur Spaß", sagen beide unisono.

Königliche Hobbies und Lieblingsspeisen, die ganz bürgerlich sind

Prinz Simon I. ist Sportler durch und durch. Er spielt jedoch nicht etwa Polo oder Golf. Nein, er schwimmt wie ein Fisch im Wasser, nur schneller! Wie erwähnt wurde er bereits Regionalmeister in seiner Altersklasse und hat darüber hinaus bei den Landesmeisterschaften in Bochum seinen eigenen Rekord in 100-Meter Brustschwimmen gebrochen. Erstmalig ist er dort auch im den 200-Meter Brustschwimmen angetreten und stellte prompt einen deutschen Rekord auf. Beste Voraussetzungen also für sein ehrgeiziges Ziel: "Olympia-Sieger im Schwimmen werden."

 

Lillis Hobbies sind ganz unterschiedlich. Sie turnt im Sportverein Rot-Weiß Röttgen, tanzt in der Prinzengarde, singt im Mädchenchor, ebenso ist sie bei den Sternsingern zu finden und entspannt sich bei Bastelarbeiten.

 

Aus der Küche ordern beide am liebsten gut bürgerliche Mahlzeiten. Wobei für Prinzessin Lilli zusätzlich auch ein süßes Dessert serviert werden darf. Prinz Simon mag es lieber herzhaft.

Die fünfte Jahreszeit finden beide am besten. "Da kann man sich verkleiden und in andere Rollen schlüpfen, tolle Lieder op platt hören", sagen sie. Aber eigentlich könne man Karneval nicht erklären. "Man muss es erleben."

Zum Schluss sagen sie noch: "Wir haben echt tolle Eltern, die uns das machen lassen, was wir uns gewünscht haben, nämlich Kinderprinzenpaar in Röttgen/Ückesdorf zu werden. Bisher war es eine einmalige Erfahrung und wir freuen uns jetzt auf den Karnevalszug durch Röttgen am Sonntag."

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Karneval ist mehr als nur eine große Party

Ein kurzer Bericht vom Freude schenken

Der Spaß an der Freude, das ausgelassene Feiern, sich verkleiden und in eine andere Rolle hineinschlüpfen, singen, tanzen, bützen, mal so richtig auf die Pauke hauen und sich selbst des Lebens freuen -all das gehört zum Karneval. Vergnügen, das dem eigenen Ego dient.

 

Es gibt aber noch eine andere Seite im Karneval: Die leise, uneigennützige. Das soziale Engagement der aktiven Karnevalisten während der fünften Jahreszeit wird in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, obwohl auch hier viele kleine Dorfvereine einen Beitrag leisten. Stellvertretend für alle, die sich auf karnevalistische Weise im Rahmen ihrer Möglichkeiten für sozial Benachteiligte engagieren, folgen wir der Prinzengarde Weiß-Rot Röttgen an einem Nachmittag zu ihren Auftritten in ein Seniorenheim und in eine Einrichtung für Schwerstpflegebedürftige.

 

Auftritte von Kindern berühren die Senioren besonders

„Wir sind mit unserer Prinzengarde und dem Röttgener Kinderprinzenpaar hier her gekommen, um Ihnen ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern“, beginnt Willi Juchem, 1. Vorsitzender der Prinzengarde Weiß-Rot Röttgen, nach einem kräftigen „Alaaf“ seine Ansprache im Seniorenhaus Maria Einsiedeln am Venusberg.

 

Im Raum sitzen circa vierzig Seniorinnen und Senioren. Viele von ihnen im Rollstuhl, einige haben ihre Rollatoren in Reichweite. Doch schon beim Einmarsch herrscht hier gute Stimmung. Die meisten sind gut drauf, Tragen Papphütchen, Matrosenmützen oder andere jecke Kopfbedeckungen, Hauptsache bunt. Herren in bunt karierten Westen und mit großen farbenfrohen Fliegen um den Hals, Frauen mit knallbunten Federboas.

 

Die kleinsten der Prinzengarde im Alter von 4 bis 9 Jahren sind heute mitgekommen. Die Mädchen in ihren rot-weiß karierten Kleidern, die kleinen roten Hütchen pfiffig auf den Köpfen und die Jungen dazu passend in rot-weiß kariertem Hemd und Lederhose mit Tirolerhut, maschieren gemeinsam ein mit dem Röttgener Kinderprinzenpaar Prinz Simon I. und Prinzessin Lilli II. Sie alle begeistern sofort. Tatsächlich scheint Willi Juchems Ankündigung aufzugehen: Die Menschen klatschen und lächeln. Nur wenige zeigen so gut wie keine Regung. „Das muss nichts heißen“, sagt Seniorenhausleiter Jan Gawol. „Wir haben in unserer Einrichtung auch unterschiedlich demente Menschen. Manchen sieht man die Freude nicht gleich an, aber tief in ihrem Inneren wird etwas in Gang gesetzt. Manchmal summen sie Tage später leise eines der Lieder vor sich hin oder erinnern sich an kleine Details.“

 

Die Tanzfläche für die Kids ist beengt und die Luft im Raum ist mittlerweile stickig, hier und da macht sich leichter Uringeruch bemerkbar.

 

Und die Kinder der Garde? Sie lächeln und tanzen.

 

Die Senioren sind dankbar. Einer von ihnen lässt sich schnell das Mikrofon bringen: „Es war uns eine große Freude, dass ihr zu uns gekommen seid“, sagt er, „Über 30 Jahre lang bin ich in Röttgen im Karnevalszug mitgegangen, heute kann ich das alles nicht mehr, umso so schöner war es, die jungen Tänzerinnen und Tänzer sowie einen überaus geschmeidigen Prinzen mit seiner charmanten Prinzessin erleben zu dürfen.“ Und welch ein Zufall: Das Enkelkind des alten Herren ist in der gleichen Schulklasse wie das Prinzenpaar. Zum Schluss werden noch Orden verliehen an die Heimleitung und die älteste Person im Raum –eine Frau von 94 Jahren. Beim Auszug winken alle nochmal freundlich und das Prinzenpaar drückt noch rasch einige Hände, die ihnen entgegenstreckt werden, bevor es zum nächsten Auftritt geht.

 

Manchmal ist "Freude schenken" nicht so einfach

Für die Kinder anscheinend kein Problem. Ich frage das Kinderprinzenpaar, wie sie den Auftritt empfunden haben. Beide sind zufrieden und sind sich sicher, den alten Menschen eine große Freude bereitet zu haben, auch wenn man es dem ein oder anderen nicht unmittelbar anmerken konnte. „Wenn man genau hinschaut, sieht man, dass die Menschen uns genau beobachten und manchmal kann man auch ein Leuchten in den Augen erkennen“, sagt Simon I. Der Auftritt am Venusberg: problemlos.

 

„In einem anderen Seniorenheim“, erzählt Simon habe ihm eine Seniorin einen „richtig dicken Schmatzer auf die Wange gegeben“ und ihn „eine Ewigkeit gerückt.“ Für Simon eine unangenehme Erfahrung, wie er zugibt. „Ja“, bestätigt seine Mutter Anja Butscheid. „An diesem Abend gab es zu Hause dann doch Gesprächsbedarf.“ Heute sagt Simon schulterzuckend: „Vermutlich hatte die Oma sonst niemanden mehr oder ihre Enkel wohnen vielleicht weit weg, so dass ich in diesem Moment herhalten musste. Es war nicht schön, aber es ist okay.“ Er und auch die anderen Kinder sind sich einig: Sie wollen ihre eigene Freude am Karneval weitergeben.

Unbefangen und gut vorbereitet begegnen die Kinder ihrem Publikum

„Schon seit Jahren absolvieren wir in jeder Session circa drei bis vier Auftritte in Seniorenheimen und verschiedenen Behinderteneinrichtungen“, erklärt Juchem. Natürlich nimmt der Verein die Kinder nicht unvorbereitet mit dorthin und nimmt vor diesen Auftritten auch immer die Eltern der Kinder mit ins Boot. „Per mail erinnere ich die Eltern rechtzeitig an diese speziellen Auftritte, damit sie ihre Kinder entsprechend einstimmen und vorbereiten können“, sagt Jugendbetreuerin Anita Thomas. Trotzdem bereitet Juchem alle Kinder vor der Abfahrt im Vereinsheim nochmals kurz auf das zu erwartende Publikum vor, erklärt, dass es sich um kranke, oft bettlägerige Menschen handelt, die sich nicht immer so verhalten oder so aussehen „wie du und ich“. Aber sie alle würden sich auf den Auftritt der Garde freuen. „Die kranken Leute können ja nicht immer nur im Bett liegen. Die müssen ja auch mal raus und was anderes sehen“, kommentiert Mira (6 Jahre) wie selbstverständlich.

Kleine Glücksmomente auf leisen Sohlen

Eine Herausforderung ist der Auftritt im „Haus am Stadtwald“ in Bad Godesberg. In dem Versorgungszentrum für schwerstpflegebedürftige jüngere Erwachsene wird die Prinzengarde von Menschen erwartet, die an ausgeprägten neurologischen Schädigungen leiden, hervorgerufen durch traumatische Ereignisse, cerebrale Gefäßkrankheiten, akuten Sauerstoffmangel, entzündliche Prozesse oder Tumorerkrankungen des Zentralnervensystems.

 

Auch hier ist die Stimmung gut. Der Raum ist mit Luftballons, Girlanden und Luftschlangen geschmückt. Rollstühle stehen dicht an dicht. Hier gibt es kaum jemanden, der nicht an den Rollstuhl gefesselt ist. Junge Menschen mit verformten Gelenken, offenen Mündern, die Blicke starr an die Decke geheftet, beinahe neben jedem Rollstuhl ein Urinbeutel oder ein Sauerstoffgerät. Das Pflegepersonal und einige Verwandte feiern mit.

 

Und die Kinder der Garde? Sie lächeln und tanzen.

 

Für Irritation sorgen die lauten, nur schwerfällig artikulierten Zwischenrufe eines Patienten. Dennoch lassen sich Prinz und Prinzessin während ihrer Rede nicht aus dem Konzept bringen, machen weiter und rufen ihrem Publikum ein kräftiges und fröhliches „Dreimol vun Hätze Alaaf“ zu. Und auch hier: Beifall, lächelnde, da und dort auch teilnahmslos scheinende Gesichter. Eins aber scheint geglückt: Der fröhliche Auftritt der Garde und des Prinzenpaares war für die Menschen hier eine kurze Ablenkung von der Tristesse des Klinikalltages und ihres Leidens.

 

„Auch wenn das Verhalten einiger Menschen uns komisch vorkommt, die Leute können ja nicht dafür, dass sie krank sind. Deshalb geben wir trotzdem unser Bestes. Nach solchen Auftritten gehe ich mit dem Gefühl nach Hause, Menschen eine Freude gemacht zu haben und das macht auch mich irgendwie glücklich“, sagt Lilli bei der Heimfahrt.

 

„Die Kinder gehen sehr viel unvoreingenommener und unbekümmerter auf alte und behinderte Menschen zu“, erzählt Christina Schaaf, deren Tochter in der Prinzengarde tanzt. „Letztes Jahr war meine Tochter z. B. absolut fasziniert von der Begegnung mit einer Hundertjährigen. Dieses biblische Alter erfüllte sie gleichermaßen mit Erstaunen und Respekt. Ohne die Auftritte mit der Garde in Seniorenheimen und anderen Einrichtungen hätte sie diese und andere Erfahrungen vermutlich nicht gemacht.“

 

Seit Jahren schon sind Auftritte in Seniorenheimen und Behinderteneinrichtungen fest im Terminplan der Prinzengarde verankert. „Davon rücken wir auch nicht ab“, so Willi Juchem. „Im Karneval steht die Freude im Vordergrund und zwar, die, die man selbst empfindet genauso wie die, die man anderen bringt.“

 

Und die schleicht sich oft auf leisen Sohlen an und dringt peu à peu in die Herzen der Menschen vor.

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Das bäuerliche Ückesdorf - Auf Zeitreise mit Heinz Meyer

Broschüre erinnert an 17 Bauernhöfe und die Hubertuskapelle im Spiegel der Zeit

 

Keine Frage: Ückesdorf hat sich verändert. Aus einem spärlich besiedelten Dorf,  in dem im Jahr 1646 gerade mal neun steuerpflichtige Familien lebten, ist ein schmuckes Dorf am idyllischen Stadtrand Bonns mit rund 3000 Einwohnern geworden. Moderne Einfamilienhäuser drängen sich dicht an dicht: Mit kleinen gepflegten Gärten und Garagen, die vom schnittigen Sportwagen bis zur „Familienkutsche“ viele Pferdestärken beherbergen. Kaum etwas erinnert noch an das bescheidene, bäuerliche Örtchen von einst: An die Zeiten, in denen die Felder mit Ochsengespannen bestellt wurden, an klappernde Pferdehufe und knarrende Karrenräder auf Pflastersteinen, an Misthaufen, Federvieh, Schweine und Kühe. An knatternde Traktoren, die mühsame Feldarbeit und daran wie - meist die Frauen mit Kind und Kegel- ihren schweren Handkarren zu Fuß in die Stadt zogen, um auf dem Wochenmarkt frische Milch, selbstangebautes Obst und Gemüse zu verkaufen. Bis weit in die 1970er Jahre waren das Leben und die Arbeit in den beiden Ortschaften Ückesdorf und Röttgen von landwirtschaftlichen Familienbetrieben bestimmt. Zahlreiche Bauernhöfe –viele davon in Fachwerkbauweise- hat es hier gegeben. Nur wenige haben die den Wandel der Zeit überdauert.

 

Für Heinz Meyer, der seit 1975 mit seiner Frau in Ückesdorf lebt, Grund genug, auf Spurensuche zu gehen. 17 Bauernhöfe hat er allein im kleinen Ückesdorf ausgemacht. „Keiner der Höfe wird heute mehr bewirtschaftet und von den ehemals 17 Gebäuden existieren heute noch zehn, einige von ihnen auch nur noch  in Teilen“, berichtet er. „Die umliegenden Felder bewirtschaftet ein auswärtiger Großbauer.“

 

Um Vergangenes zu bewahren und die Erinnerungen an alte Zeiten wachzuhalten, hat der Rentner die Geschichte der Bauernhöfe in Wort und Bild festgehalten. Entstanden ist eine Broschüre mit Fotos von 13 der insgesamt 17 Bauernhöfe, sowie Hinweise auf deren Lage und

Größe. Zudem lässt der Chronist in seiner Broschüre altes,  zum Teil vergessenes Brauchtum wieder aufleben und erzählt von Legenden und bäuerlichen Familiengeschichten.

Das Wahrzeichen von Ückesdorf: Die Hubertuskapelle
Das Wahrzeichen von Ückesdorf: Die Hubertuskapelle

„Dabei ist die Geschichte einiger Landwirte eng mit unserem Wahrzeichen, der Hubertuskapelle, verknüpft“, fand Meyer bei seinen Recherchen heraus. So besaß das Bonner Cassiusstift seit 1131 einen Hof zu Uckenstorp, dem heutigen Ückesdorf, der im 17 Jahrhundert von Mitgliedern der angesehenen Familie Tilmannus Rheindorff bewirtschaftet wurde. Sein Sohn Michael Rheindorff, geboren 1675, erhielt am 10. April 1700 die Priesterweihe und wurde anschließend Vikar am Cassiusstift Bonn. 1718 ließ er unweit des väterlichen Hofes auf eigene Kosten eine kleine Kapelle bauen, die er der heiligen Dreifaltigkeit weihte. Wie aber kam es zur Umwidmung der Kapelle zugunsten des St. Hubertus? Schuld ist der Biss eines tollwütigen Hundes aus dem Jahr 1727. Mehr wird an dieser Stelle nicht verraten.

 

Diese und weitere Episoden ranken sich um die Geschichte des Kapellchens, das im letzten Jahr 300jähriges Jubiläum feierte. „Die Ückesdorfer Hubertuskapelle ist übrigens die älteste Fachwerkkapelle im Erzbistum Köln und hat 2008 den Bonner Fassadenpreis gewonnen“, dies und vieles mehr weiß Meyer über Kleinod zu berichten.

 

Drei Jahre lang hat Heinz Meyer recherchiert, sich mit Nachkommen ehemaliger Bauern und alt eingesessenen Ückesdorfern unterhalten, Dokumente im Bonner Stadtarchiv gewälzt, Fotos aus dem Fundus von Anwohnern zusammengetragen und gesichtet sowie das Heimat- und Familienbuch von 1644 bis 1950 von Rudi Jung studiert. „Dabei habe ich einige alte Schätzchen in Privathaushalten wiederentdeckt“, freut sich der Chronist. „Darunter auch den Hubertusstuhl, der im Jahr 1773 von den Eheleuten Jakob Knurhammer und Maria Katharina Klein nachweislich für die Hubertuskapelle gestiftet und in Privatbesitz sorgsam aufbewahrt wurde.“ Auch ein Kruzifix, das Marion Fonck vom „Hofgut Alfter“ 1928 für die Kapelle gestiftet hat, sei wieder aufgetaucht.

Chronist Heinz Meyer stellt einige seiner Materialien  bei der 300 Jahrfeier der Hubertuskapelle vor
Chronist Heinz Meyer stellt einige seiner Materialien bei der 300 Jahrfeier der Hubertuskapelle vor

Alle „Fundstücke“ übergibt Meyer ordnungsgemäß dem örtlichen kirchlichen Archiv. „Es wäre einfach zu schade, wenn diese wertvollen Zeitzeugnisse in Privathaushalten verborgen blieben.“ Er ist sich sicher, dass noch viel mehr Schätze in hiesigen Kellern schlummern und nur darauf warten geborgen zu werden. Seine bisher zusammengetragenen historischen Texte, Fotos und Materialien will er -sobald das Heimatmuseum Röttgen-Ückesdorf fertig gestellt ist- diesem zur ständigen Ausstellung übergeben.

 

Auch weiterhin will sich der Rentner aktiv ein für den Erhalt und die Bekanntmachung des historischen Erbes der Ortsteile Röttgen und Ückesdorf einsetzten: „Nach-forschungen zum Schloss Herzogsfreude laufen bereits.“

 

Material jeglicher Art, Anekdötchen, hartnäckige Gerüchte und Geschichten hierzu und rund

um die Historie der Ortsteile Röttgen und Ückesdorf nimmt Heinz Meyer gern entgegen unter:  E-Mail: heinzmeyerbonn@gmx.de

 

17 Bauernhöfe und die Hubertuskapelle im Spiegel der Zeit:

Die Chronik richtet sich an Alteingesessene und Neubürger. Anhand eines kleinen Lageplans sowie zahlreicher Fotos lässt sich das bäuerliche Ückesdorf bei einem Spaziergang erforschen und lädt zu einer Zeitreise ein.

 

 

 

Die Broschüre ist

gegen eine Spende für das

Heimatmuseum Röttgen + Ückesdorf

von 10 € erhältlich bei:

 

Heinz Meyer, Hubertusstr. 12,

53125 Bonn-Ückesdorf

Tel.: 0228/25 55 52

E-Mail: heinzmeyerbonn@gmx.de

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Ückesdorfer Autorin packt Geschichten, die das Leben schreibt, zwischen zwei Buchdeckel

Ein Interview mit Marita Bagdahn

 

„Ein Schriftsteller feilt so lange an seinem Werk, bis beide vollkommen überarbeitet sind“. So sagt und hält es jedenfalls Poesiepädagogin Marita Bagdahn aus Ückesdorf mit ihren Werken. Ihre Genres sind: Aphorismen, Erzählungen, Kurzgeschichten, Kurzkrimis, Miniaturen, Märchen, Fabeln und Lyrik. Die Autorin faszinieren der kreative Umgang mit Sprache sowie die Herausforderung die Dinge bissig bis gewitzt auf den Punkt zu bringen: „Ein Aphorismus bringt es auf den Punkt, am besten auf den wunden.“ So formuliert sie es selbst.

 

Marita Bagdahns Texte erschienen in Anthologien, Literaturzeitschriften und im Internet, sie ist Preisträgerin bei verschiedenen Schreibwettbewerben. Auch in ihrem neuesten Buch „Die Freundin“, das im September dieses Jahres erschienen ist, spielen ihre Geschichten auf der Klaviatur des Lebens von ernst bis heiter.

 

Die Autorin schreibt aber nicht nur selbst. Sie bietet auch Workshops zum Kreativen Schreiben an. In kleinen Gruppen oder auch im Einzelcoaching erhalten Teilnehmer Schreibimpulse, wertvolle Tipps zum Kreativen Schreiben und Tricks, wie man den inneren Zensor zum Schweigen bringt oder zumindest eine Weile vertröstet, um in einen Schreibflow zu gelangen. Die Teilnehmer bringen ihre Gedanken und Geschichten zu Papier, über die sie sich anschließend in wertschätzender Atmosphäre austauschen können.

 

Seit 1996 lebt und arbeitet die gebürtige Ostwestfälin Marita Bagdahn in Ückesdorf. Als freischaffende Autorin und Poesiepädagogin ist sie allerdings erst oder immerhin schon seit 2007 tätig.


Frau Bagdahn, Sie haben lange Zeit als Diplom-Verwaltungswirtin gearbeitet, bevor Sie zum Kreativen Schreiben gekommen sind. Was war der Auslöser für Ihren Ausbruch aus der

Amtsstube und dem „trockenem“ Behördenjargon ins kreative Fach?

Einen konkreten Auslöser gab es eigentlich nicht; vieles kam zusammen - beruflich und im privaten Umfeld. Geschrieben habe ich immer gern: Schulaufsätze, Tagebuch, Briefe. Erst als Erwachsene kam der intensive Wunsch, mich näher mit dem Schreiben zu beschäftigen, zunächst aber nur als Hobby. Mit Ende 40 tauchte dann die Frage auf: Was willst du in deinem Leben wirklich machen? Woran hängt dein Herz? Zwei Dinge kamen dabei heraus: Ich will mit Menschen und mit Sprache arbeiten.

 

Es folgten die Teilnahme an der FrauenSchreibSchule KALLIOPE bei Monika Winkelmann in Bonn und Lisa Becker-Saaler in Saulheim sowie ein Fernstudium für Literarisches Schreiben bei der Cornelia Goethe Akademie in Frankfurt. Während in der Akademie der Focus auf den Schreibtechniken liegt, beschäftigt sich die FrauenSchreibSchule KALLIOPE in erster Linie mit dem intuitiven Schreiben. Seit 12 Jahren geben Sie selbst Kurse im Kreativen Schreiben. Worauf legen Sie in Ihren Workshops besonderen Wert?

Ich möchte die Teilnehmer ermutigen ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen. Das spontane

Schreiben aus dem Bauch heraus steht bei meinen Kursen im Mittelpunkt. Jeder soll über das schreiben können, was ihn bewegt und gerade interessiert. Im gegenseitigen Austausch nehmen die Teilnehmer neue Ideen und Anregungen mit.

Zum Einstieg gebe ich gern Impulse vor wie z.B. ein Foto, zu dem ein Text verfasst werden soll, oder Gedanken zum eigenen Vornamen. (Woher kommt er? Mag ich ihn oder nicht? Welchen hätte ich vielleicht lieber gehabt?) Hier und da gebe ich auch Tipps zum Schreibstil und zu Schreibtechniken. Aber diejenigen, die sich speziell für literarisches Schreiben und das Handwerkszeug dazu interessieren, sind im Angebot „Wort-Werkstatt“ besser aufgehoben. Hier geht es darum, was eine gute Geschichte ausmacht. Wie man Plot und Figuren entwickelt. Wie ein Spannungsbogen entworfen wird, was einen guten Dialog kennzeichnet und welche Erzählperspektiven es gibt.

Generell ist mir wichtig, dass die Teilnehmer das Schreiben als eine Methode zum Innehalten und Erfassen ihrer Gedanken und Gefühle begreifen und die Scheu vor dem Schreiben und einem weißen Blatt Papier ablegen.

 

Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen. Ergänzen Sie: Schreiben und Lesen ….

… erdet und verleiht Flügel.

 

Ihr neues Buch mit dem Titel „Die Freundin“ verspricht eine turbulente Reise durch menschliche Gefühlswelten. Verraten Sie uns etwas zur Entstehung des Buches und was den Leser erwartet?

Ich suchte schon lange nach einem Verlag, der meine Geschichten veröffentlicht. Einige davon lagen bereits Jahre „in meiner Schublade“, einige hatte ich schon auf Lesungen vorgetragen. Andere Geschichten sind relativ neu. Eine Schwierigkeit für mich: Es sind ernste Themen und Geschichten neben „leichten“, humorvollen oder skurrilen. Deshalb

habe ich das Buch in zwei große Kapitel eingeteilt: „Die ernsteren Seiten des Lebens“ und „Mit Humor gewürzt“. Der letzte kurze Text (Verdursten) ist eine kleine Zugabe, außer Konkurrenz sozusagen.

Eine Weihnachtsgeschichte ist übrigens auch dabei: "Das Weihnachtsgeschenk", und es gibt einen Dialog zwischen Sigmund Freud und Schneewittchen.

 

 

Eine zarte Freundschaft in schweren Zeiten.

Ein Bienenstich und ein Familiendrama. Schneewittchen auf Sigmund Freuds roter Couch. Ein Hut erlebt das berühmte Pferderennen Royal Ascot.

 

Die Bonner Autorin Marita Bagdahn erzählt facettenreich von den ernsten und von den heiteren Seiten des Lebens. Siebzehn Geschichten über Freundschaft, Liebe, Hass, Angst – und über das Unerwartete.

 

 

 

 

ISBN 978-3-947759-00-2

www.Kid-Verlag.de

 


Was bedeutet Sprache für Sie? Wenn ich Ihren Aphorismus vom Anfang nochmal aufgreife, in dem Sie sagen, dass ein Schriftsteller so lange an seinem Werk feilt, bis beide überarbeitet sind, klingt das aufwendig, geradezu uncool in Zeiten von Facebook, Twitter und Co.

Ja, der heutige Gebrauch von Sprache in der Werbung und auf den von Ihnen angesprochenen und anderen Medien, auf der Straße sowie in der politischen Diskussion macht mir in der Tat zu schaffen. Die Verstümmelung und vor allem die zunehmende Verrohung der Sprache finde ich beunruhigend. Denn Sprache formt unser Denken, unser Tun und unsere Gesellschaft. Was mir heute fehlt, ist die Wertschätzung, für die Menschen und all die kleinen und großen Dinge, die uns umgeben.

 

Was meinen Sie: Formt Schreiben die Persönlichkeit oder formt die Persönlichkeit das Schreiben?

Beides. Wenn ich mich auf das freie, spontane Schreiben einlasse - egal, ob autobiographisch oder nicht - wirkt das auch immer auf mich zurück. Hier kann ich ganz neue Seiten an mir entdecken, mich überraschen lassen, ausprobieren, Perspektiven wechseln oder ungewohnte Perspektiven einnehmen. Was mag eine Tür denken, was eine Zahnbürste?

In schwierigen Zeiten hat mir das Schreiben immer geholfen: etwas loswerden, etwas klären, Abstand gewinnen. Glücksmomente kann ich mit eigenen Worten festhalten und würdigen.

Als Autorin gehe ich bewusster durch die Welt und den Alltag, weil ich einfach sensibler geworden bin und natürlich auch viele kleine Alltagsbegebenheiten für die Geschichten brauche. Manchmal sind und handeln die Figuren in meinen Geschichten auch sehr fies und gemein, obwohl ich mich nicht so sehe. Anders gesagt: Ich kann schreibend auch meine „dunklen Seiten“ ausleben, ohne es in der Realität zu tun. Das ist u. a. das Heilsame am Schreiben.

Ja, das Schreiben hat mich und meine Persönlichkeit verändert. Durch das Schreiben lerne ich mich selbst besser kennen, denn ich schreibe über etwas, das mich reizt, bewegt oder einfach anspricht. Und selbst beim vorgegebenen Thema packe ich es so an, wie es für mich in dem Moment passend ist. Ich kann frei entscheiden, was ich machen möchte und was nicht.

Und seitdem ich als Autorin nicht nur für mich und den Moment, sondern auch mit Blick auf mögliche Leser*innen schreibe, hat sich noch einmal ein neuer Blickwinkel ergeben. Mein

Schreibstil hat sich verändert, und ich freue mich, dass ich z. B. das trockene Verwaltungsdeutsch auch in meinen Mails ablegen konnte. Und natürlich habe ich viele, viele interessante Menschen kennen gelernt, zum Teil begleitet, und manche Freundschaften sind entstanden.

 

„In der Kürze liegt die Würze“. Sie schreiben hauptsächlich kurze Prosa, Gedichte und

Erzählungen. Was reizt Sie daran? Oder wird doch nochmal ein Roman oder Krimi von Ihnen erscheinen?

Ich bin keine Marathonläuferin, auch keine „Schnellschreiberin“. Ich überarbeite meine Geschichten, Gedichte und auch die Aphorismen immer recht lange. Sie wissen ja: „Ein Schriftsteller feilt so lange ….“

Bisher hat mich keine Idee so stark gepackt, dass ich darüber einen Roman schreiben wollte. Das heißt nämlich, dass die Begeisterung dafür mindestens ein Jahr lang so anhält, dass ich in der Zeit intensiv daran arbeite und nicht die Lust verliere. Ich bin nicht immer so  diszipliniert wie es für einen Roman sein müsste …

Und Krimi? Nein, ich möchte nicht auf den Zug „Regionalkrimis“ aufspringen, nur weil der im Moment so boomt.

 

Woher nehmen Sie Ihre Schreibimpulse?

Von überall: Bücher zum Kreativen Schreiben, aus Kursen, die ich selbst besucht habe, Fotos, Bilder, Zeitungsüberschriften, Satzanfänge, Gesprächsfetzen, Radio und Fernsehen, spontane Ideen, Wortspielereien, besondere Anlässe wie z. B. der Internationale Frauentag, der Weltspartag, und vieles mehr.

Meine Antennen sind immer auf Empfang gestellt.

 

Wie sieht Ihr schriftstellerischer Alltag aus?

Ich schreibe tagsüber, auch abends, feste Schreibzeiten habe aber –auch wegen der Kurstermine und anderen variablen Terminen- keine. Bis spät in die Nacht schreibe ich nur noch selten, weil es sonst mitunter mit dem Einschlafen schwierig wird.

 

 

Sie haben bereits zahlreiche Auszeichnungen für Ihre Kurzerzählungen, Aphorismen und Gedichte erhalten. Welches sind Ihre persönlichen Highlights?

Natürlich habe ich mich über die vielen Auszeichnungen gefreut und fühle mich geehrt. Aktuell freue ich mich, dass der Verleger, Herr Weingartz, mein Manuskript für „Die Freundin“ in sein Verlagsprogramm aufgenommen hat und das Buch im Herbst erschienen ist. Die anderen Werke sind in Anthologien oder im Selbstverlag erschienen.

Lesungen sind immer etwas Besonderes, weil es dabei den direkten Kontakt zum Publikum

gibt. Ein besonderes Highlight ist sicherlich die Leipziger Buchmesse im März nächsten Jahres, auf der ich aus meinem neuen Buch lesen werde.

(Freitag, 22. März 2019, 10.40 Uhr: Marita Bagdahn – Lesung aus der Neuerscheinung „Die Freundin“, Leipziger Buchmesse, Halle 5, Great & Read-Bühne)

 

 

Welche literarischen Vorbilder haben Sie und was beeindruckt Sie daran besonders?

Viele! Im Bereich Kinder- und Jugendbuch sind dies vor allem Kirsten Boie, Christine

Nöstlinger und Andreas Steinhöfel.

Momentan lese ich begeistert Stephan Thomes Roman „Fliehkräfte“. Imponiert haben mir

auch Zsuzsa Bank mit „Die hellen Tage“, Hanns-Josef Ortheil mit seinen Büchern „Die

Erfindung des Lebens“, „Die Moselreise“, „Der Stift und das Papier“.

Ich mag und mich beeindrucken die Geschichten mit ihren Figuren, die überraschenden

Wendungen und der Ideenreichtum. Bewundernswert finde ich die mäandernde, bildreiche Sprache, die so leicht dahin fließt - klar, genau und anschaulich. Hinzu kommen der Witz, die Genauigkeit und das differenzierte Hineinspüren in die Charaktere. Diesen Autoren gelingt

es meisterlich Schweres auch „leicht“ auszudrücken.

 

Haben Sie es jemals bereut, dass Sie Ihren sicheren Job in der Verwaltung zugunsten des Schreibens aufgegeben haben?

Nein, niemals.

 

Herzlichen Dank für dieses Gespräch.

 

Mehr über die Autorin, ihr Kursangebot, Lesungen u.v.m. erfahren Sie unter:

www.wort-und-stift.de

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Röttgener Kleiderstube feiert Jubiläum: 30 Jahre Hilfe für Menschen in Not

Die versammelte "Mannschaft" der Röttgener Kleiderstube.
Die versammelte "Mannschaft" der Röttgener Kleiderstube.

Bei selbstgebackenen Kuchen, Kaffee und Tee feierten die 20 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen der Kleiderstube am Samstag im Pfarrzentrum Christi Auferstehung das 30-jährige Bestehen der Röttgener Kleiderstube. An der herbstlich dekorierten Kaffeetafel nahmen neben den Betreiberinnen der Kleiderstube auch einige Gäste Platz aus Politik (E. Zaun vom SPD-Ortsverein, M. Sanders vom FDP-Ortsverband Duisdorf), Kirche (Pastoralrefereitin R. Effertz und als Vertreterin der evangelischen Kirchengemeinde am Kottenforst Frau von Kamecke) und anderen Hilfsorganisationen (N. Lust vom Verein „Helfende Hand“).

 

Die Mitarbeiterinnen der Kleiderstube freuen sich, dass es ihnen seit 30 Jahren möglich ist, die materielle Not vieler Menschen mit ihrem Angebot zu lindern. Obwohl die Röttgener Kleiderstube nur an zwei Tagen in der Woche für jeweils eine Stunde geöffnet ist, werden hier im Jahr durchschnittlich sage und schreibe 1300 Personen eingekleidet und mit den nötigsten Alltagsgegenständen versorgt.

 

„Dass aus einer ursprünglich spontanen Kleidersammlung für bedürftige Aussiedlerfamilien, eine Hilfsorganisation werden würde, hat vor 30 Jahren niemand geahnt“, sagt Gründerin Cornelia Bross nicht ohne Stolz. Und hätte sie damals, als ihre Tochter sich darüber wunderte, dass einige ihrer Klassenkameraden in der kalten Jahreszeit nur mit Sandalen und in viel zu dünne Jacken gehüllt in die Grundschule kamen, nicht genauer hingeschaut – wer weiß, ob es die Kleiderstube in Röttgen heute gäbe.

 

Tatsächlich lebten zu dieser Zeit 15 bis 20 Spätaussiedlerfamilien aus Polen in Röttgen, die mit der „Glasnost-Welle“ hier angespült wurden und denen es am Nötigsten fehlte. Frau Bross beschloss zu handeln und arrangierte eine spontane Kleidersammlung für die Familien. Cornelia Bross und zwei weitere Frauen aus Röttgen (Frau Schwenke und Frau Birker) schauten auch nicht weg als auf die polnischen Aussiedler mittellose Russlanddeutsche und Flüchtlinge aus der DDR, Somalis und später auch Roma und Sinti folgten. Immer mehr Spenden wurden gesammelt, um diesen Menschen zu helfen. Sie alle lebten in dem in dem damals schon abbruchreifen und ungenutzten Motel in Röttgen. „Nach dem Abriss des Motels und mit der Einführung des Bonn-Ausweises durch die Stadt Bonn, finden bis heute auch Türken sowie eine bunte Mischung vieler Nationalitäten aus der Stadt und der Umgebung den Weg zu uns.“ Gegenwärtig kommen Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan, Irak und Afrika vermehrt hinzu. „Die politische und gesellschaftliche Entwicklung ist bei uns deutlich sichtbar. Wir wissen immer wo die aktuellen Krisen der Welt herrschen“, berichten Cornelia Bross, Frau Schwenke und Frau Birker, die übrigens alle von der ersten Stunde der Kleiderstube an ohne Unterbrechung dabei sind.

 

Messgewand neben "Second Hand-Ware"

Problematisch sei immer das Finden geeigneter Lagerräume gewesen. Zu Anfang stellt uns die katholische Kirchengemeinde ihre Sakristei in Röttgen zur Verfügung. Dort stapelten sich schon nach kurzer Zeit Pullover, Hosen, Röcke, Schuhe und Geschirr neben Messbechern, Altarglocken, Kirchenkerzen und bronzenen Altarkreuzen. Alte Wintermäntel und Jacken hingen gleich neben den fein bestickten Messgewändern im Schrank. Und über allem waberte der Duft von Mottenkugeln. Nach einem halben Jahr konnte dieser unhaltbare Zustand auch, weil die Sakristei aufgrund anwachsender Kleiderspenden aus allen Nähten zu platzen drohte, mit dem Umzug in die Kellerräume der ehemaligen Hauptschule in der Dorfstraße beendet werden. Schnell waren auch diese Räumlichkeiten zu klein, obwohl jeder Winkel bis hin zur Besenkammer und den Duschen ausgenutzt wurden. Nach einem Jahr im feuchten, dunklen Keller, folgte ein erneuter Umzug. „Diesmal stellte uns die Stadt Bonn im gleichen Gebäude einen ungenutzten, von Tageslicht erfüllten Klassenraum zur Verfügung, in dem die Kleiderstube auch heute noch ist. Zudem unterstützt uns die Stadt mit Heizung und Strom und hat uns vor einigen Jahren in die Liste der städtischen Kleiderstuben aufgenommen. Auch dafür sind wir sehr dankbar“, erzählt Bross.

 

Jede Spende kommt an 

Froh sind die Betreiberinnen der Kleiderstube auch über die ungebrochen große Spendenbereitschaft der Bevölkerung. „Selbst wenn es scheint, dass wir manchmal in Spenden versinken, freuen wir uns über gut erhaltene, saubere Kleidung sowie Dingen des täglichen Gebrauchs z.B. aus Haushaltsauflösungen.“ In 30 Jahren haben die Mitarbeiterinnen u.a. ein verzweigtes Netzwerk aufgebaut, um Sachen, die in der Kleiderstube Röttgen „nicht gehen“ oder die Staumöglichkeiten sprengen sinnvoll und auch im Sinne der Spender weiter zu verteilen. Dabei ist es dem Team besonders wichtig, dass die Kleidung auch wirklich dort ankommt, wo die Not groß ist. Kooperationen gibt es mit der Kleiderstube Medinghoven, Esperanza von der Caritas, Oxfam, Düsseldorf und mit Herrn Nikolai Lust, Gründer und Leiter der Christlichen Mission „Helfende Hand“ e.V.

 

Nikolai Lust: Gründer und Leiter der Hilfsorganisation "Helfende Hand" e.V.
Nikolai Lust: Gründer und Leiter der Hilfsorganisation "Helfende Hand" e.V.

Monatlich auf Achse nach Rumänien und Moldawien

Die Zusammenarbeit mit Nikolai Lust besteht schon lange Jahre. Nikolai Lust, selbst ausgesiedelter Russland-Deutscher, kennt die Not und die spärlichen Lebensverhältnisse der Menschen in seiner Heimat nur zu genau. Kontinuierlich sammelt er Hilfsgüter, die er zu verschiedenen Kirchengemeinden und neu gegründeten Frauenhäusern in Rumänien und Moldawien transportiert. Monatlich machen Lust und seine ehrenamtlichen Mitarbeiter sich mit vier Transporten auf den Weg dorthin und absolvieren hin und zurück eine Strecke von rund 4000 Kilometern. „Wir fahren bei jedem Wetter, denn warme Kleidung, Betten, Spielsachen für die Kinder, Schuhe u.v.m. werden dort dringend gebraucht“, erzählt Lust. Dabei achtet er streng darauf, dass die gesammelten Spenden nicht in die Hände von Händlern geraten. Die Verteilung vor Ort übernehmen die Kirchengemeinden. Stichprobenartig fährt Nikolai Lust die Familien und Frauenhäuser auch direkt an, um sich zu vergewissern, ob alles auch wirklich dort ankommt.

 

Wichtig ist ihm auch die Transparenz seiner Hilfsaktionen. So zeugen viele Fotos in der Röttgener Kleiderstube von seinen Fahrten und den ärmlichen Lebensverhältnissen der Menschen vor Ort. Die Kosten für die Transporte, die Wartung der Fahrzeuge sowie die Miete der Garagen, die ihm als Zwischenlager dienen, finanziert Nikolai Lust aus eigener Tasche und zum Teil aus Spenden. Auf die Frage warum er diese Strapazen neben seinem Job und die finanziellen, privaten Zusatzbelastungen auf sich nimmt, antwortet er schlicht: „Das ist meine Berufung als Christ.“

Weiterführende Links zur Röttgener Kleiderstube:

 

Die Kleiderstube, Öffungszeiten etc.

 

Ein Interview mit Cornelia Bross von 2015, das noch nichts an Aktualität eingebüßt hat:

26 Jahre Kleiderstube in Röttgen - viel mehr als nur eine Kleiderstange

 

Link zur:

 

Christlichen Mission "Helfende Hand" e.V.

auf Facebook findet man weitere aktuelle Informationen über die Arbeit der Christlichen Mission.

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300 Jahre Hubertuskapelle - Festmesse unter freiem Himmel

Mit einer Festmesse feierten rund 200 Gläubige aus Ückesdorf, Röttgen, Lengsdorf und Endenich das 300-jährige Bestehen der

Hubertuskapelle. Zelebriert wurde der Gottesdienst im Freien vor der Hubertuskapelle von Weihbischof Ansgar Puff sowie Pfarrer Alfons Adelkamp und weiteren Konzelebranten aus den Gemeinden St. Maria Magdalena und Christi

Auferstehung.

 

Der unter einem Zelt aufgebaute Altar war in Anlehnung an den Namenspatron der Kapelle St. Hubertus weidmännisch mit einem Geweih und Eichenlaub geschmückt. Die passende musikalische Gestaltung des Gottesdienstes übernahm u.a. das Hornensemble St. Augustin Siegburg der Jägerschaft.

 

In seiner Predigt ging Weihbischof Puff auf die Bedeutung und Symbolik des Kreuzes nicht nur in der Hubertuslegende, sondern auch für die Gläubigen in der heutigen Zeit ein.

 

Pfarrer Adelkamp dankte indes allen, die an der Erhaltung und Pflege des Kapellchens beteiligt waren und sind. Sein besonderer Dank galt Frau Gerda Spitzl, die sich seit Jahrzehnten unermüdlich mit Herz und Hand um die Hubertuskapelle kümmert. Auch Oberbürgermeister Ashok Sridharan war als Mitglied der Pfarrgemeinde Christi Auferstehung gekommen. Er würdigte die Kapelle "als Segen für den Ort".

 

Im Anschluss an den Gottesdienst, waren die Besucher eingeladen, sich an Schautafeln über die Entstehungsgeschichte dieses Ückesdorfer Kleinods zu informieren. Heinz Meyer lud zu einer Führung in die kleine Kirche ein wobei er über spannende Legenden und Anekdoten plauderte, die sich um die kleine Kirche ranken aber ebenso über Wissenswertes und detaillierte historische Backgroundinformationen zu referieren wusste.

 

Dass das „Schmuckkästchen im Fachwerkstil“ heute noch zum Ortsbild von Ückesdorf gehört, ist nur dem Engagement der Bürger zu verdanken, die den Abriss der Kapelle vor Jahrzehnten verhinderten.

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Straßenfest in der Henriettenstraße: Super Wetter, super Stimmung und für jeden was dabei

Die Henriettensträßler sind einfach nicht tot zu kriegen! Auch beim 18. Straßenfest waren die Zelte voll. „In diesem Jahr hatten wir mehr Anmeldungen als je zuvor“, sagt Astrid Regh, eine der Hauptorganisatorinnen.

 

Die weiteste Anreise hatte eine Familie aus USA-Montana, die bei Freunden in der Henriettenstraße zu Besuch waren. Dass auch sie sich hier pudelwohl fühlten, lang nicht nur am vielfältigen kulinarischem Angebot von Kaffee und Kuchen, Grillfleisch, Kölsch und allerhand leckeren Salaten. Getreu dem Motto „Drink doch ene met“ wurden auch sie schnell Teil der Henriettenstraße.

 

„Das fluppt hier ganz wunderbar“, freut sich der „Bürgermeister der Henriettenstraße“ Toni Regh. „Wir freuen uns immer über neue Gesichter beim Straßenfest. Gäste sind uns jederzeit willkommen.“

 

Hier ist das Nachbarschaftstreffen wie eine große Familienfeier. Einmal im Jahr treffen sich alle, tauschen sich aus und genießen den Tag. In diesem Jahr passte sich das Wetter sogar der Stimmung an: super sonnig, warm und freundlich!

 

Weitere Fotos in der Mediathek.

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Seide - elegant, schmeichelnd und voller Geheimnisse

Kein Stoff ist edler und schmeichelt mehr als Seide – nicht nur die Damenwelt weiß das schon lange. Auch die Herren schätzen den Tragekomfort sowie den feinen Glanz der Seide. Dabei ist das leichte Material äußerst strapazierfähig. Naturseide hat allerdings ihren Preis.

Warum das so ist, hängt im Wesentlichen mit der Entstehung der Seide zusammen. „Hersteller" des seidenen Fadens sind die Raupen des Bombyx mori , eines unscheinbaren Falters, der sein kurzes Leben unmittelbar nach der Paarung bzw. der Eiablage verliert, erläutert Rolf Stiemerling. Der promovierte Biologe ist Experte rund um das Thema Seide. Bereits zum zweiten Mal hat er aus rund 150 Eiern Seidenraupen gezüchtet, ihren Entwicklungszyklus studiert und akribisch protokolliert. Wie genau die seidenen Fäden „gesponnen“ werden, wurde bereits ausführlich im Bericht „Ein Blick in die Kinderstube der Seidenraupe“ beschrieben.

 

Stiemerlings Interesse geht jedoch weit über das Tier hinaus. „Schon von klein an haben mich die vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten von Seide fasziniert“, sagt er. „Da stößt man auf die verrücktesten Dinge.“ Nun hat der Biologe, das was er seit vielen Jahren zusammengetragen hat, online veröffentlicht. Sie werden staunen, was alles im sprichwörtlichen Sinn „am seidenen Faden hängt“. Nachzulesen ist dies und mehr unter: https://seidenraupe.org/

 

Wer mehr über die Geschichte und Verarbeitung von Seide erfahren möchte sollte einen Blick in das "Haus der Seidenkultur" in Krefeld tun -ein Industriedenkmal, das  in der Luisenstr. 15 in Krefeld als Museumsbetrieb geführt wird.

 

Das Video zeigt  die Seidenraupen bei der "Arbeit". Die gut genährten Raupen spinnen nach der letzten Häutung den wertvollen Kokon, aus dem später die Seide gewonnen wird. Je nach Raupen- bzw. Falterart sind die Kokons gelb, weiß oder grün gefärbt.

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Persische Lyrik und Musik in der Röttgener Buchhandlung: Ein Abend voller Kraft und Melancholie

Foto: J. Rostami
Foto: J. Rostami

Mit Wucht trafen am Samstag Orient und Okzident in der Röttgener Buchhandlung Goethe und Hafis aufeinander. Der musikalisch lyrische Abend nahm die zahlreich erschienen Gäste mit auf eine Reise in die Literatur- und Musikszene Persiens. Die 1974 im Iran geborene Autorin Pegah Ahmadi, die zu den bekanntesten Gesichtern der iranischen Lyrikszene zählt und bereits zehn Bücher veröffentlicht hat, las in ihrer persischen Muttersprache einige ihrer Gedichte und stellte ihren neusten Lyrikband vor, der nicht zu Unrecht den deutschen Titel „Wucht“ trägt. Übersetzerin und Dolmetscherin Jutta Himmelreich trug Pegah Ahmadis Dichtung an diesem Abend in deutscher Sprache vor. Auch musikalisch trafen hier verschiedene Kulturen aufeinander: Kioomars Musayyebi spielte auf seiner Santur –ein im Irak und Iran charakteristisches Instrument der klassischen Kunstmusik- traditionell persisches Liedgut sowie einen Mix verschiedener Musikstile aus Orient und Okzident.

 

Es war allerdings keine leichte Kost, die hier geboten wurde. Pegah Ahmadis bildgewaltige und kraftvolle Verse sind von tiefer Ernsthaftigkeit durchdrungen. Die Autorin verarbeitet in ihnen u.a. die Situation der Frauen im Iran, beschäftigt sich mit menschlicher Gewalt und Menschenrechtsverletzungen. Selbst bei der Liebe greift sie die eher beschwerliche, mühsame Seite in ihren Gedichten auf. Zeilen wie „Eine Feder ließ sich im Spiegel nieder und geriet in einen Kugelhagel“ sausen wie Hammerschläge auf den Zuhörer nieder und setzen sich in den Köpfen fest.

 

Die Ernsthaftigkeit ihrer Literatur sei nicht nur aus ihren Erfahrungen in ihrer Heimat begründet, sondern auch aus dem Exil und der damit verbundenen Isolation heraus, aus der sie seit ihrer Ankunft 2009 in Deutschland schreibt. „Manchmal“, sagt die Autorin, „wünschte ich mir, ich könnte über nichts schreiben.“ Und meint damit heitere Themen zum Vergnügen und zur Zerstreuung. Pegah Ahmadi will mit ihren Versen aufrütteln, aufmerksam machen auf Missstände und deren emotionale sowie faktische Auswirkungen. Gastgeber Jalal Rostami beschreibt dies folgendermaßen: „Schriftsteller sind eigentlich immer in innerer Aufruhr. Sie wollen und müssen sich daher mitteilen.“ Pegah Ahmadi tut dies in ihrer Dichtung nicht immer zielgerichtet. „Manchmal versuche ich auch einfach nur spontane Bilder, die ich im Kopf habe zu formulieren und über die Sprache dem Leser zugänglich zu machen.“

 

Genau in solchen Fällen ist Übersetzerin und Dolmetscherin Jutta Himmelreich „Froh, dass ich es mit zeitgenössischer Lyrik zu tun habe. Denn bei einer Schriftstellerin, die noch lebt, kann ich jederzeit nachfragen wie Elemente in ihrer Dichtung, die meinem Empfinden nach nicht zueinander passen gemeint sind. Das erleichtert die Transformation der ohnehin schwer übersetzbaren persischen Lyrik ins Deutsche ungemein.“ Schon seit vielen Jahren arbeitet Himmelreich gemeinsam mit Pegah Ahmadi. Seit deren Ankunft in Frankfurt am Main hat die Dolmetscherin jedes ihrer Werke übersetzt. So auch den Gedichtband „Mir ist nicht kalt (Sardam Nabud)“, der unter dem Eindruck des Sommers 2009 entstand und im Bremer Sujet Verlag zuerst auf Farsi und dann auf Deutsch erschienen ist. „Wucht“ ist das jüngste Werk ihrer gemeinsamen Arbeit.

 

Aufgelockert wurde das Programm durch musikalische Einlagen des Santurspielers Kioomars Musayyebi. Wie kaum ein anderer beherrscht er die 72 Saiten des Instrumentes und bringt dem Zuhörer dessen Klangmischung aus einerseits warmen grundtönigen Bässen und andererseits spitz klingenden oberen Tonlagen näher. Dabei widmet sich der Künstler, der u.a. als freier Dozent und Santurlehrer arbeitet, nicht nur der traditionellen persischen Musik, sondern mixt zunehmend die verschiedensten Musikstile und tritt mit Musikern aus der ganzen Welt auf. Sein Instrument sei die verfeinerte Urform des Hackbrettes und gehöre einer Instrumentenfamilie an, die von Westeuropa (Hackbrett) über den Vorderen Orient bis China verbreitet ist, erläutert der Musiker auf Nachfragen aus dem Publikum.

 

Eines hatten der Klang der Santur und die gespielten Melodien mit den Rezitationen gemein: Beide waren durchdrungen von Melancholie. „Ja“, lächelt Jalal Rostami mit leicht fatalem Achselzucken, „wir Iraner sind nun mal ein melancholisches Volk.“

 

Am Ende der Veranstaltung nutze das deutsche und iranische Publikum ausgiebig die Gelegenheit in den Dialog mit den Künstlern zu treten und Fragen zu stellen, die weit über das Gehörte hinausgingen.

 

Mit deutsch-persischen Lesungen und musikalischen Abenden macht sich macht sich Jalal Rostami immer wieder für die Verständigung von Orient und Okzident stark. Insbesondere als Verleger (Goethe & Hafis) fördert er Schriftsteller, die im Exil leben und arbeiten und gibt ihnen so eine Stimme. Sein Engagement zur Völkerverständigung brachte ihm im August 2017 das Gütesiegel des Deutschen Buchhandlungspreises ein. Auch die jüngste Veranstaltung am Samstagabend offenbarte den Gästen einen weiteren Einblick in die persische Mentalität und Kultur.

 

Fotos: Jalal Rostami

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Ein Weltenbummler, der nicht nur viel zu erzählen, sondern auch zu sagen hat

Röttgen ist ein Pool der Kreativen. Ob Maler, Bildhauer, Kunsthandwerker, Musiker oder Schriftsteller, viele von ihnen sind hier zu Hause – bekannte wie unbekannte. Ob Röttgens schöne Lage mit der Nähe zum Kottenforst ursächlich ist für Inspiration und Schaffensfreude oder ob gerade dieses schöne Fleckchen Erde am Rande von Bonn insbesondere so viele Schöpferische anlockt, mag dabei einerlei sein. Das Ergebnis ist das gleiche. Einer der kreativen Köpfe ist der Schriftsteller Dietmar Röser: Autor, Philosoph, Philologe, Germanist und Weltenbummler! Sechsmal ist er schon um die Welt gereist. Tibet, den Himalaja, Bali, Tunis, Shanghai, die ägäischen Inseln, Moskau, Peking, Bangkog, Sibirien, die Wüste Gobi… sind ihm, „ein bisschen vertraut“, schmunzelnd er.

 

In insgesamt acht Büchern und Gedichtbänden liefert Röser einen unterhaltsamen und abwechslungsreichen Querschnitt seiner Reiseerlebnisse und Gefühlswelten, in denen sich auch der Leser wiederfinden kann. Zwar ziehe es ihn nach wie vor in die Welt hinaus, die Lust zu schreiben gewinne aber mit zunehmendem Alter die Oberhand, sagt er. Rückblickend kommt Röser zu der Erkenntnis, dass ihn seine Reisen nur noch heimatverbundener gemacht hätten: „Wenn man in der Ferne tiefer sieht und gräbt, findet man im Grunde vieles Ähnliche wie zu Hause“.

 

„Eine Reise ist ein Trunk aus der Quelle des Lebens“* – und Dietmar Röser hat mehr als einmal genippt!

(*Christian Friedrich Hebbel)

Mit 16 Jahren zog Dietmar Röser in einer Zeit als das Reisen noch keineswegs zur Normalität gehörte erstmals in die Welt hinaus. Mit dem Bund Neudeutschland, der 1919 als katholischer Schülerbund gegründet wurde und den es auch heute noch in ähnlicher Form gibt, ging es nach Rom. Nicht mit dem Bus oder dem Zug, nein, mit dem Fahrrad strampelten 10 Jugendliche von der Pfalz aus über die Schweiz nach Italien. 3000 Kilometer mit 08/15-Fahrrädern über die Alpenpässe in sechs Wochen.

 

Trotz einiger Widrigkeiten sei diese Reise die „Initialzündung“ für zahlreiche weitere rund um den Globus gewesen, erinnert sich der Rentner noch genau. Anekdote um Anekdote sprudeln aus ihm heraus. Wie er mit einem Freund durch England getrampt ist und der erste Tag in London beinahe auch der letzte geworden wäre: „Beim Überqueren der Straße hätte mir beinahe einer der großen Busse nicht nur die Nasenspitze, sondern auch den Rest platt gemacht! Seitdem respektiere ich im Bedarfsfall auch den Linksverkehr!“ Wie ein Taxifahrer in Thailand nur schwer davon zu überzeugen gewesen sei, dass der junge Mann auf dem Rücksitz keineswegs auf ein Tȇte-à-Tȇte mit den attraktiven thailändischen Mädchen aus sei, sondern tatsächlich zum Wat Phra Kaeo (Tempel des Smaragd -Buddha) gefahren werden wolle.

 

Als junger Mann sei das Geld für Fernreisen oft knapp gewesen. Das sei jedoch nie ein Hanicap gewesen. Schnell hatte Röser spitz wie man auch mit kleinem Geldbeutel weit in der Welt rumkommt. So habe er als Lektor auf deutschen Kreuzfahrtschiffen angeheuert, wo er die Gäste mit Lichtbildvorträgen über die Zielländer unterhielt, von denen er selbst die meisten bereits bereist hatte. Auf diese Weise kam er in die Karibik, sah Kap Horn und vieles mehr. Nach dem Prinzip „Hand für Koje“ war er einen Monat lang als Deckhand an Bord der „Sea Cloud I“, auf der Ostsee bis Helsinki unterwegs. Alles in allem kommen so drei Monate und an die 5000 Seemeilen auf Großseglern zusammen! „Bei manchen Seglern muss man allerdings dafür bezahlen, dass man ins Rigg will oder sich bei den schweren Tampen Schwielen an die Pfoten holt!“ Herzlich lachen muss Röser, wenn er an seine Zeit auf der Alexander von Humboldt I. denkt. Denn bei einigen Drehs der bekannten Beck´s Bier-Werbespots in der Karibik, war Röser auf dem Dreimaster mit dem grünem Rumpf und den grünen „Spinatsegeln“ (so die gängige Bezeichnung in der Crew) hautnah mit dabei. „Ganz glatt lief die Sache allerdings nicht“, plaudert Röser aus dem Nähkästchen. „Um die Bark unter vollen Segeln zu filmen, sollte ein Kamerateam auf einem schnellen Motorboot nebenher fahren. Nachdem wir aber auch das letzte Segel gesetzt hatten, war das Motorboot in Nullkommanichts abgehängt.“ Dass die Aufnahmen am Ende doch im Kasten waren, verdankte die Werbefirma einem Griff des Kapitäns in die Trickkiste. Der ließ nämlich unter vollen Segeln sämtliche Motoren des Schiffes rückwärts laufen – ein riskantes aber geglücktes Manöver.

 

Diese und weitere Geschichtchen erzählt Röser so unterhaltsam, dass man ihm gerne zuhört.

Übrigens hat der begeisterte Segler auch lange Jahre in einem Chanty-Chor gesungen. Nicht etwa im hohen Norden, nein in Bonn! – auch da gibt es sowas.

 

Dietmar Röser liebt das Meer, aber tiefer noch hat ihn die Sahara beeindruckt. „Nirgends ist man dem Himmel so nah und erlebt das Funkeln der Sterne und die Klarheit der Farben so intensiv wie hier“, schwärmt er. Überwältigend seien vor allem die Nächte in der Wüste: „Wenn man das leise Singen des Sandes hört, wenn der Nachtwind über die Dünen streicht.“ Ganz zu schweigen von der Fata Morgana, die er klar und deutlich vor sich sah: „Schilf an einem See, der, je mehr man sich ihm nähert, zusehends vor den Augen zerbröselt und sich in Nichts auflöst.“

 

Schon als Fünfjähriger von der Muse geküsst

Seine Erlebnisse, seine Eindrücke, die Abenteuer und Erfahrungen bahnen sich bis heute ihren Weg aus ihm heraus - auch auf Papier. Acht Bücher hat Röser bereits geschrieben und er sagt: „Es müssen schon noch ein paar mehr werden!“ Schon als kleiner Junge hat Röser seine Liebe zu Büchern und Geschichten entdeckt, die ihm die Welt eröffneten. „Ich habe alles gelesen, was mir zu Gesicht kam, selbst der Brockhaus war nicht sicher vor mir.“ Aus seiner Leselust entwickelte sich schon früh seine Leidenschaft fürs Schreiben. An sein erstes Gedicht, das er seiner Mutter als Fünfjähriger schrieb, erinnert er sich noch genau. „Ich reimte `Schnee´auf `Kartoffelpüree´! Immerhin eine beachtliche emotionale Spannbreite!“ Im Alter von 17 Jahren beginnt er dann, ernsthafte Gedichte zu verfassen, die die Intensität seiner Gefühlswelt sowie seine visuellen Eindrücke widerspiegeln. Gefundene und wieder verlorene Liebe, Beschreibungen von Naturerscheinungen und immer wiederkehrend die Sehnsucht nach der Ferne und die Frage, was sie ihm wohl bringt.

 

Seine gesammelten Verse hat Röser 1981 in dem Gedichtband „Windspuren“ zusammengefasst. Leichte Kost sind sie jedoch nicht. Dies verwundert kaum, wenn man bedenkt, dass der Mann, dessen Liebe zur deutschen Sprache ihn Mitte der fünfziger Jahre zum Germanistikstudium führte, Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Hölderlin und Homer als Lieblingsschriftsteller angibt und selbst heute noch die ersten 30 Verse der Odyssee auf Altgriechisch zitieren kann. „Früher waren es mal die ersten hundert!“ Seine Gedichte und Erzählungen sind manchmal nur beschreibend, ein anderes Mal stimmen sie nachdenklich und lassen Raum für Interpretation – immer aber findet sich etwas von Dietmar Röser selbst in oder zwischen den Zeilen.

Oft sind es nur Kleinigkeiten wie Formen und Farben, die seine Gedanken und seine Schreiblust anregen. Eine Kette mit einer Perlmuttmuschel, die er aus der Südsee mitbrachte, inspirierte ihn zu einem Märchenbuch „Die Muschel der Mondgöttin“, in dem er Mythen, Sitten und Bräuche fremder Kulturen aufgreift. Dass Röser trotz allem noch tief in seiner rheinischen Heimat verwurzelt ist, erlebt man in seinem Buch „Die Wette“. Im Nachlass seines Vaters fand er eine Sammlung von Geschichten, wie sie so oder doch so ähnlich geschehen sind, mit dem Vermerk: “Soll Dietmar fertigstellen und ergänzen“. So entstand eine Chronik kölscher „Verzällcher, Jrielächereien und schöner Erinnerungen“, die immer mit einem Augenzwinkern verbunden sind und den Leser schmunzeln oder sogar laut auflachen lassen.

 

Die Welt zu Gast im Wohnzimmer

Schaut man sich seine Wohnung an, wird schnell klar: hinaus muss Röser eigentlich mehr, denn die Welt ist längst bei ihm zu Hause. Da gibt es eine Afrika-Ecke mit Masken und Schnitzereien, eine Asien-Ecke mit Thankas, Erinnerungsstücken wie Anhänger, eine Feuerschlagtasche, Buddhafiguren, ein Weihwasserkesselchen aus dem Himalaya mit dem dazugehörigen Wedel aus Pfauenfedern, ein geschnitzter Göttervogel aus Bali, ein hölzernes Modell der „Bounty“ von den Seychellen. Schier unübersehbar ist ein Modell der „Victory“ (Admiral Nelsons Flaggschiff). Und auch dieses Stück ist untrennbar mit einer skurrilen Episode verbunden: „Ich hatte mich auf den ersten Blick in das Schiffsmodell verliebt und es gekauft. Am Flughafen gingen dann die Probleme los. Wohin damit? Das Modell war viel zu groß, um als Handgepäck durchzugehen und zu diffizil, um bei den Gepäckstücken im Bauch des Fliegers mitzufliegen. Dank der Hilfe der reizenden Stewardessen reiste am Ende die „Victory“ gut gesichert auf einem Sitz erster Klasse, während ich den Rückflug in der Holzklasse antrat.“ Besucher können sich bei Dietmar Röser zu Hause gar nicht satt sehen und zu allem fällt Röser eine Geschichte ein.

 

Nicht nur durch seine Mitbringsel hat die Welt Einzug in seine Wohnung gehalten. In Büchergestellen, die vom Fußboden bis unter die Decke reichen und sich entlang der Flur- und Wohnzimmerwände ziehen, sammeln sich Bildbände, klassische und moderne Literatur verschiedener Genres, Gedichtbände, theologische Abhandlungen, philosophische Wörterbücher, Fachliteratur zur Sprach-, Literatur- und Erziehungswissenschaft sowie Geschichte, Dokumentationen zu unterschiedlichsten Themen. Zwischen den lückenlos gefüllten Regalen wirkt das einzig beinahe leere Bücherbrett recht verloren. „Das“, sagt Röser, „will ich selbst noch füllen.“

 

Eine Aufgabe, an der er täglich an seinem Schreibtisch arbeitet inmitten eines Tohuwabohus aus Bergen von Post, Stapeln von handgeschriebenen Ideen und Manuskripten, dem Terminkalender, gesammelten Sinnsprüchen, einem übergroßen Brieföffner („damit man ihn zwischen all dem Papierkram auch wiederfindet“), einem großen Monitor, Telefon und Faxgerät. „Wenn ich aufräume, staune ich manchmal selbst, dass sich unter all dem tatsächlich ein Schreibtisch befindet“, scherzt Röser. Sein aktuelles Buch „ Die Rüsselfeile“ mit satirischen Geschichten, „Gehobeltes und Ungehobeltes“ hat er gerade fertiggestellt und schon ist das nächste in Arbeit. „Diesmal etwas Politisches“, mehr will Röser noch nicht verraten, der nicht nur viel zu erzählen, sondern auch zu sagen hat.

 

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"Neues" von der alten Reichsstraße

Anknüpfend an den Beitrag „Durch Ort und Zeit unterwegs auf der Reichsstraße“ wir hier

dank Brigitta Heinze aus Röttgen eine weitere Erinnerung wach.

 

SIE war lange Zeit das Wahrzeichen Röttgens:

Die mächtige Winterlinde (Tilia cordata), auch Napoleon-Linde genannt. Direkt gegenüber dem Schloßplatz gelegen schmückte sie die Reichsstraße. Der 140 bis 150 Jahre alte Baum wurde im März 1975 nach langem Ringen verschiedener Seiten unter Naturschutz gestellt. Die freistehende, stattliche Linde war weithin sichtbar und fiel durch ihre tief herabreichende, weitausladende runde Krone auf, die von starken, knorrigen Ästen getragen wurde. Mit 28 Metern Höhe, einem Stammdurchmesser von 1,2 m und einem Stammumfang von 3.75 m war der Baum ein beeindruckendes Zeitzeugnis.

 

Allgemein können Winterlinden bis zu 30 m hoch und in Ausnahmefällen sogar über 1000 Jahre alt werden. „Die Linde kommt 300 Jahre, bleibt 300 Jahre und geht 300 Jahre“, ist ein oft gelesenes Zitat. Immerhin vergehen 20 bis 30 Jahre bis Lindenbäume zum ersten Mal blühen und Früchte bilden.

 

So beeindruckend und wunderbar Röttgens Winterlinde auch war, ihre Lage so dicht an der Reichsstraße bereitete Probleme. Wie der Bonner Stadtanzeiger im Juli 1975 berichtete, oblag es der Stadt Bonn den Baum, der durch den Straßenverkehr gefährdet war, zu schützen. Ob und wenn ja, welche Maßnahmen zum Schutz der Linde ergriffen wurden, kann hier nicht mehr nachvollzogen werden. Fakt ist: 25 Jahre nachdem der Baum unter Naturschutz gestellt wurde, musste er gefällt werden. Ein Brandkrustenpilzbefall machte der Linde derart zu schaffen, dass sie bei einem Sturm in belaubtem Zustand zu brechen drohte. In einer Höhe von 2,50 m zeigte der Baum eine mit den Jahren deutlich gewachsene Schwachstelle. Das Risiko, dass Röttgens höchster Blickfang bei Sturm auf die befahrene Straße kippt, war einfach zu groß. Im März 2000 rückten die Baumfäller der Linde endgültig zu Leibe.

Fotos: Brigitte Heinze

 

So verlor Röttgen einen Baum, der in der Mythologie seit jeher als Baum des Volkes beschrieben wird. Noch heute erinnern alte Linden in Städten, Dörfern und Siedlungen an längst vergangene Zeiten. Sei es als Dorf- oder Hoflinde, wo sie als Tanz-, Friedens- und Kommunikationsbaum für amtliche Bekanntmachungen und Treffpunkt für Jung und Alt war. Oder sei es als Rechtsbaum, wo früher geschlichtet, vermittelt sowie gerichtet und in Einzelfällen das Urteil gleich an einem starken Ast vollzogen wurde (judicum sub tilia „Gericht unter der Linde“). Inwieweit die Röttgener Linde in den zwei Jahrhunderten als Volksbaum genutzt wurde, ist unbekannt. Ebenso ungewiss ist die Namensherkunft der Napoleon-Linde. So munkeln die Leute überall dort, wo Napoleon im Zuge der Koalitionskriege (1792- 1815) seinen Fuß hinsetzte, dass der Kaiser sein königliches Geschäft genau an ihrer Linde verrichtet habe.

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Die etwas anderen Kunstwerke der Käthe Wickert

Käthe Wickert zeigt eine ihrer zahlreichen Monotypien. Von schlicht bis farbenfroh ist alles dabei.
Käthe Wickert zeigt eine ihrer zahlreichen Monotypien. Von schlicht bis farbenfroh ist alles dabei.

Käthe Wickerts Atelier „Ton und Farbe“ ist gefüllt mit Werken aus ihrer langjährigen künstlerischen Tätigkeit. An den Wänden drängen sich dicht an dicht Aquarelle, Monotypien, Acryl-, Öl- und Seidenbilder sowie Zeichnungen und Collagen. In den Regalen logieren Skulpturen aus Papier, Ton, Fliesenkleber und Bronze. Pinguine und Fischotter, Elefanten, Katzen und Nilpferde hausen hier friedlich neben Kindern, eleganten Damen mit und ohne Hut, Tänzerinnen und Menschengruppen sowie ägyptischen Gottheiten und himmlischen Engeln. Einige der Figuren sind stark abstrahiert, andere sind so detailgetreu, dass sich der Betrachter unweigerlich fragt, wer hier eigentlich wen anschaut.

 

„Ich experimentiere gern“, erzählt die Röttgener Künstlerin. Und das nicht nur mit verschiedenen Mal-Techniken, sondern auch mit ganz unterschiedlichen Materialien. Die Natur mit ihren bizarren Formen und ihrem Farbenreichtum sei für sie die Hauptquelle der Inspiration. Insbesondere die Unterwasserwelt hat es der ehemals leidenschaftlichen Taucherin angetan. „Als ich 1974 auf Elba das Tauchen als Gegenpol und Entspannung zu meinem stressigen Job als selbständige Steuerberaterin für mich entdeckte, war es um mich geschehen. Einmal abgetaucht offenbart sich im Meer eine ebenso geheimnisvolle wie üppige Vielfalt an Formen, Farben und den verrücktesten Dingen, die man sonst nirgends findet“, schwärmt Käthe Wickert. Auch heute noch zehre sie bei ihrer künstlerischen Tätigkeit von diesen Eindrücken. Viele ihrer Motive stammen aus dem Meer und sind von Türkis und mannigfachen Blautönen geprägt.

 

Sowieso sei die Natur ein schier unerschöpflicher Ideenpool und Materiallieferant für ihre Kreationen. Treibgut, Sand, die Samen des Baobab-Baumes (besser bekannt als Affenbrotbaum), Muscheln, feiner weißer oder auch grobkörniger Sand, all das und noch vieles mehr weiß Käthe Wickert künstlerisch zu nutzen. Selbst in den farbdurchtränkten Tüchern, die sie für ihre Wischtechniken einsetzt, erkennt sie interessante Motive und arbeitet diese heraus. Zuletzt inspirierte sie ein Straßenkünstler auf Madagaskar, der seine Bilder ausschließlich mit Erdfarben malte. „Das war wirklich interessant und faszinierend zugleich. All seine Farben gewann der Künstler aus verschiedenen Bodentypen, die er vorsichtig nur mit Wasser anrührte. Die Leuchtkraft dieser doch so einfach hergestellten Farben war einfach unglaublich“, erzählt sie. Klar, dass Käthe Wickert auf ihrer Heimreise eine Handvoll roter Erde sowie verschiedene Papiertypen im Koffer und eine neue Projektidee im Kopf hatte.

 

Seit mehr als 20 Jahren widmet sich die Rentnerin bereits der Kunst. Schon als Kind habe sie gern gemalt, später seien die Malerei und das Modellieren ein Ausgleich zu ihrem Beruf gewesen, die sie nach und nach zuerst in VHS-Kursen (Malen, Aktzeichnen, Modellieren) und später bei Künstlern wie Johannes Reinarz und Ulla Wölfel im Kulturzentrum Duisdorf sowie bei Julitta Franke und bei Hans-Peter Weibel und anderen perfektioniert hat. Seit 2002 ist Käthe Wickert Mitglied im Arbeitskreis „Bildende Kunst“. Der regelmäßige Austausch mit anderen Kreativen sowie die Tipps und Anleitungen der Dozenten zu unterschiedlichen Maltechniken beflügele ihre Schaffenskraft immer wieder aufs Neue.

 

Viele ihrer Werke waren bereits in diversen Ausstellungen vom Arbeitskreis „Bildende Kunst“ zu unterschiedlichen Themenschwerpunkten zu sehen. Zum Thema „Zeit“ z.B. erschuf Wickert eine Collage aus einem alten Uhrenziffernblatt und einem ausgeschlachteten PC. „Sie sehen, auch technische Dinge sprechen mich an“, lacht sie.

 

Ganz persönlich hat sie einen Faible für die alten Meister: Rembrandt, Michel Angelo, Rubens. „Die verehre ich ja“, sagt sie, „die akribische, naturgetreue Gestaltung von Gesichtszügen, Faltenwürfen mit allen Schattierungen und Hermelinpelzen, bei denen man beinahe jedes einzelne Haar erkennen kann sind einfach fantastisch.“ Sich selbst bezeichnet sie eher als „Versuchsmensch“. Ihre Monotypien und Collagen seinen oftmals Zufallsprodukte, deren schillernde Farbkombinationen sie besonders liebe und zugleich immer Unikate sind. Unikate sind auch ihre selbstmodellierten Figuren aus Fliesenkleber. Auf ein Geflecht aus Kaninchendraht spachtelt die Künstlerin die zähflüssige Masse in zwei Schichten auf. „Natürlich kann ich mit diesem Material nicht detailgetreu arbeiten, die Figuren wirken meist abstrakter sind dafür aber frostfest und ein wunderbarer Hingucker für den Garten.“ Eine Methode, die sich die Künstlerin im Laufe ihrer Tätigkeit selbst erarbeitet hat. „Ich kenne niemanden, der das so macht“, sagt sie.

 

Insbesondere bei ihren Bronzeskulpturen achtet Käthe Wickert auf Qualität. Deshalb lässt sie diese auch von niemand geringerem als Friedemann Sander gießen. Den Röttgenern dürfte der Bonner Künstler vor allem durch das Bronzemodell des Schlosses Herzogsfreude am Schlossplatz bekannt sein.

 

Einen Blick in Käthe Wickerts Atelier „Ton und Farbe“ kann man am Tag der offenen Tür am 2./3. Juni 2018 erhaschen, bei dem das Ehepaar Stiemerling-Wickert gleichzeitig auch den Privatgarten im Zuge der Aktion „Offene Gartenpforte“ für die Allgemeinheit öffnet.

 

Wer nicht so lange warten möchte und eventuell noch ein Weihnachtsgeschenk auf die Schnelle sucht, kann sich einige Werke vorab auf der neuen Internetseite von Käthe Wickert https://www.atelier-wickert.de/ anschauen und telefonisch unter 0228-255210 oder per mail info@atelier-wickert.de einen Termin mit der Künstlerin vereinbaren.

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Adler, Falke & Co - Die Könige der Lüfte zu Besuch im RAN!

Gleich hebt er ab, der Weißkopfseeadler von Falkner Pierre Schmidt aus Erftstadt-Gymnich
Gleich hebt er ab, der Weißkopfseeadler von Falkner Pierre Schmidt aus Erftstadt-Gymnich

Aufgeregt warten die Kinder im RAN! auf das Highlight der ihres Ferienprogramms in der zweiten Sommerferienwoche. Immer wieder schauen sie aus dem Fenster, um zu sehen, ob Falkner Pierre Schmidt mit seinen

Greifvögeln und Eulen nicht doch schon da ist. Endlich ist es soweit der Falkner aus Erftstadt-Gymnich biegt mit seinem Auto auf den Parkplatz des Carl-von-Ossietzky-Gymnasiums ab und entlädt die komfortablen Transportkisten mit ihrer außergewöhnlichen Fracht. Fünf prächtige Vögel kommen zum Vorschein: ein Sibirischer Uhu, eine Schnee-Eule, ein weißer Falke sowie ein dunkler Wüstenfalke und ein Weißkopfseeadler.

 

Neugierig aber mit dem nötigen Respekt nähern sich die Kinder den Vögeln. Bevor es mit der Flugshow losgeht, stellt der Greifvogel-Experte seine mitgebrachten Exemplare den Kindern vor. Dann startet die 2,5 stündige Flugshow vor den Türen des RAN!. Ganz aus der Nähe konnten die Kinder den Flug der Tiere beobachten und sogar den Flügelschlag des Weißkopfseeadlers, dessen Flügelspannweite der eines ausgewachsenen Mannes von ca. 1,90 Meter (bis max. 2,40 Meter) entspricht, dicht über ihren Köpfen zu spüren. Und es kam noch besser: Jedes der Kinder durfte sich den ledernen Falknerhandschuh überstreifen, einen der Greifvögel auf die Hand nehmen und ihn selbst unter Anleitung des Falkners fliegen lassen.

 

Zwischendurch macht Falkner Pierre Schmidt immer wieder auf die Besonderheiten der unterschiedlichen Vögel aufmerksam, und lädt die Kinder bei einem Frage-Antwort-Spiel ein, ihr Wissen zu demonstrieren. Und die Kinder sind bestens vorbereitet. Sie können die Tiere nicht nur richtig benennen, sie wissen auch sonst genau Bescheid. Fachkundig benennen sie das Gefieder der Vögel mit Hand- und Armschwingen, Mantel, Steuerfedern und Unterschwanzfedern. Dass der für Greifvögel typische Hakenschnabel je nach Vogelart eine gefährliche Biss- bzw. Tötungswaffe ist, mit dem die Tiere zudem ihre Beute zerkleinern, wissen sie natürlich auch. Immerhin haben sie sich drei Tage lang intensiv mit dem Thema Greifvögel und Eulen befasst. „Uns ist es wichtig, die Kinder während des Ferienprogramms sinnvoll zu beschäftigen“, sagt die Leiterin des RAN! Vera Goßmann. So sahen sich die Kinder im RAN! gemeinsam Filme an, die das Leben der Eulen und Greifvögel in freier Wildbahn zeigten, erfuhren u.a. aus Büchern interessantes über die Konstruktion und Flugfähigkeiten der Vögel, beschäftigten sich mit ihrer Nahrung, dem Nestbau und der Aufzucht der Jungtiere. Sogar über die Vormachtstellung des Falken als Jagdtier deutscher Könige und als

Familienmitglied arabischer Scheichs erfuhren sie Kurioses und Erstaunliches.

 

Dennoch fallen den Kindern während der Flugdarbietung immer wieder neue Fragen ein: Was wiegt ein Weißkopfseeadler und wie groß ist seine Flügelspannweite? Warum kann der Uhu den Kopf soweit drehen? Pierre Schmidt ist begeistert von der Neugier und den vielen „gescheiten Fragen“, die er bereitwillig und anschaulich beantwortet.

 

„Der heutige Tag hat mir am besten gefallen, aber auch die Filmdokumentation, die wir gemeinsam im RAN! geguckt haben, war toll“, schwärmen die meisten Kinder übereinstimmend. Der international bekannte Falkner ließ sich zwei Jahre lang von einem Kamerateam bei der Arbeit mit seinen Falken begleiten – heraus kam ein ebenso lehrreicher wie beeindruckender Film. Neben den Greifvögeln und Eulen avancierte auch Falkner Pierre Schmidt, der sich seit vielen Jahren auch aktiv für den Greifvogel- und Artenschutz einsetzt, bei den Kindern zum Star des Tages. Ganz Profi, signierte er dann auch die von den Kindern gestalteten „Bücher“, in denen sie Wissenswertes und Interessantes über ihren Lieblingsvogel festgehalten hatten.

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Blick in die Kinderstube des Seidenraupenfalters

Rolf Stiemerling aus Röttgen hat ein ungewöhnliches Hobby. Sein Steckenpferd ist der Bombyx mori besser bekannt unter dem Namen Maulbeerspinner. Schon von Kindesbeinen an befasst sich der promovierte Biologe mit diesem unscheinbaren Falter, dessen Raupen das Rohmaterial für die edelsten Seidenstoffe liefern. Nun hat er seinen Traum, selbst einmal Seidenraupen zu züchten und live zu beobachten wahr gemacht.

 

250 Eier hatte sich Rolf Stiemerling eigens in Frankreich bestellt, aus denen am 21. Juni die ersten Seidenraupen schlüpften. Seither herrscht beim Ehepaar Stiemerling-Wickert in Röttgen das große Fressen. In einer kleinen mit Küchenpapier ausgelegten Holzkiste recken die winzigen Raupen auf der Suche nach Futter ihre Köpfe in die Luft.

 

Unablässig schaffen Rolf Stiemerling und seine Frau Käthe Wickert Blätter für ihre heißhungrigen und äußerst wählerischen Gäste heran. „Die Raupen mögen nur die Blätter des Maulbeerbaums (Morus alba), je zarter desto besser –zumindest in den ersten Tagen“, erklärt der frischgebackene Ziehvater. Zwar fressen die Raupen auch nach der ersten Häutung am liebsten junges Blattgrün, machen sich aber dann mit ihren nunmehr kräftigeren Fresswerkzeugen den Mandibeln auch über die älteren Blätter her. Alle zwei bis drei Stunden brauchen die beigefarbenen Raupen frisches Futter. „Bis zur Verpuppung frisst allein eine Raupe circa 30 Gramm Maulbeerblätter“, erzählt Stiemerling. Das hört sich zwar nicht viel an, bei einer durchschnittlichen Schlupfrate von 97 Prozent muss das Ehepaar jedoch rund 242 Raupen 35 Tage lang durchfüttern. Etwa 7,5 Kilogramm Maulbeerblätter werden bei Stiemerling-Wickerts also insgesamt über den Tisch gehen oder anders ausgedrückt in der Raupenkiste landen. Aber der Experte für Seidenspinnerraupen ist vorbereitet: Schon 2011 sammelte er Samen aus einer Maulbeerbaumhecke am Küdinghovener Friedhof, die ein Relikt aus den 1930er Jahren ist und säte ihn im heimischen Garten aus. Acht gut belaubte Bäumchen dienen jetzt als Futterlieferanten. Ob die aber für seine nimmersatten Kostgänger reichen ist fraglich. „So ein Blatt wiegt ja nicht viel, da muss schon eine Menge Blattmasse zusammenkommen, damit die Raupen satt werden“, sagt Stiemerling. Auch für diesen Fall hat der Rentner vorgesorgt. Zum Glück konnte er schon damals einen Nachbarn für seine kleine Seidenraupenzucht gewinnen, der sich prompt bereit erklärte ebenfalls einige Maulbeerbäume in seinem Garten zu pflanzen.

Rund 5 bis 6 Jahre hat es gedauert bis aus den winzigen Samen des Maul-beerbaums (Morus alba) diese Bäumchen geworden sind (s.u.).

Die Blätter des Maulbeerbaums dienen als Futterlieferant.

Kaum zu glauben: dies alles sind Blätter von ein und demselben Maulbeerbaum. Die große Variationsbreite in der Blattform ist charakteristisch für den Maulbeerbaum.


Vom Ei zum Falter

Das Wohnzimmer der Stiemerling-Wickerts gleicht einem Forschungslabor. Bei angenehmen Temperaturen um die 20 Grad wohnen die Raupen gut geschützt vor direkter Sonneneinstrahlung in einer Holzkiste unter der Fensterbank. Auf dem Esstisch ist das Mikroskop des Biologen aufgebaut, daneben liegen ein Lineal eine Pinzette und ein Notizbuch, in dem Stiemerling akribisch alle Veränderungen seiner temporären Mitbewohner dokumentiert: Veränderungen an den Eiern und Schlupftage der Raupen, Größe der Raupen, Farbe, Futterrationen, eventuelle Sterberate etc.

 

Nach wenigen Tagen beobachten er und seine Frau wie aus den bleigrauen bis grünlich schimmernden und stecknadelkopf-großen Eiern ca. drei Millimeter große Raupen schlüpfen. Innerhalb von nur neun Tagen wuchsen die Raupen der Stiemerling-Wickerts um das Vierfache auf eine Länge von 13 Millimeter und legten auch deutlich an Umfang zu. „Wenn es so weiter geht werden die Raupen dank ihrer ungeheuren Fresslust innerhalb 35 bis 40 Tagen zu einer Länge von 9 bis 10 Zentimetern heranwachsen, was in etwa der Länge eines Zeige- bzw. Mittelfingers entspricht. In dieser Zeit nehmen sie das 10 000fache an Gewicht zu und häuten sich viermal“, beschreibt Stiemerling die weitere Entwicklung der Tiere. Sorge, dass die Raupen ihre Kiste verlassen und durchs heimische Wohnzimmer kriechen könnten, hat er nicht. „Die Tierchen sind genauso propper wie bequem; solange man ihnen genügend Futter serviert, sehen sie keine Veranlassung sich auf den Weg zu machen.“

Auch Käthe Wickert riskiert einen Blick in die Kinderstube der Raupen
Auch Käthe Wickert riskiert einen Blick in die Kinderstube der Raupen

Erst kurz vor der Verpuppung, wenn die Raupen ausgewachsen und satt sind, suchen sie sich einen geeigneten Platz, um ihren Kokon zu spinnen. Hierzu steht bereits ein kleines Geäst bei

Stiemerling-Wickerts bereit, in dem sich die Raupen ein geeignetes Plätzchen suchen können. Aus den fertigen Kokons schlüpfen nach einer 16-tägigen Metamorphose aus den Puppen weiß-graue, flugunfähige Nachtfalter, die nach der Paarung und Eiablage innerhalb von 48 Stunden sterben. Ein Weibchen legt 300 bis 500 Eier ab, deren weitere Entwicklung erst nach einer 10 monatigen Ruhephase (Winterpause) einsetzt.

 

In der Seidenraupenzucht lässt man jedoch nur so viele Falter schlüpfen, wie zur Weiterzucht benötigt werden. Für die Seidengewinnung wird die Weiterentwicklung der Tiere durch das Eintauchen der Kokons in heißes Wasser gestoppt. Denn nur aus intakten Kokons kann der begehrte lange Faden für die technische Weiterverarbeitung gewonnen werden.

 

10 000 Kokons für ein Seidenkleid

Den für die Seidenproduktion wertvollen Kokon spinnen die Raupen aus zwei gefüllten Seidendrüsen, die ca. 40 Prozent des Gesamtkörpergewichts der Raupe ausmachen. Aus dem Sekret der beiden Drüsen werden zwei hauchdünne Fädchen, die in der Spinnwarze an der Unterlippe der Raupe mit Seidenleim umhüllt werden und

beim Austritt an die Luft zu einem einzigen Seidenfaden verkleben.

 

Ein Kokon liefert einen bis zu 1000 Meter langen Faden. Mit nur drei Kokons ließe sich demnach ein seidenes Fädchen von Röttgen bis Ückesdorf spannen. Allerdings müssen rund 8 Seidenfädchen verzwirbelt werden, um einen stabilen Faden für die industrielle Weiterberarbeitung zu erhalten. Allein für die Herstellung eines Seidenkleides werden rund 10 000 Kokons benötigt.

Hier nur ein kleiner Teil von Stiemerlings Bibliothek. Historische und neuere Literatur rund um die Seidenraupe und deren edle Spinnerei hat er im Laufe der Jahre gesammelt und archiviert.
Hier nur ein kleiner Teil von Stiemerlings Bibliothek. Historische und neuere Literatur rund um die Seidenraupe und deren edle Spinnerei hat er im Laufe der Jahre gesammelt und archiviert.

Faszination Seide

Wie aber kommt Rolf Stiemerling zu so einem seltsamen Steckenpferd? Ist es Forschergeist, ein Faible für Kreaturen, denen andere eher mit Abscheu begegnen oder einfach nur reiner Zufall? Etwas von allem, meint er. Das Interesse an den Maulbeerspinnern sei zudem schon in frühen Jugendjahren geweckt worden. Aufgewachsen in der „Samt- und Seidenstadt“ Krefeld, seien ihm erste Berührungspunkte mit der Seidenfabrikation quasi in die Wiege gelegt worden, zumal auch seine Vorfahren in der Seidenproduktion und –gewinnung tätig gewesen sein. So weiß er von seinem Vater, dass dieser während der Nazizeit in der Seidenraupenzucht tätig gewesen sei. „Allerdings durfte ich als Kind nie einen Blick in die Zuchtstation werfen. Die Erzählungen über den Maulbeerspinner übten eine Faszination auf mich aus, die bis zum heutigen Tag erhalten ist.“ Dabei reicht das Interesse des Rentners weit über die Biologie des Maulbeerspinners hinaus: Die Seidenraupenzucht, die Geschichte des Seidenraupenfalters, die Seidenproduktion sowie die vielseitige Nutzung von Naturseide -Stiemerling bringt geballtes Wissen sowie eine umfangreiche Bibliothek rund um den Seidenraupenfalter mit.

 

Seit 5000 Jahren wird der Maulbeerspinner vorwiegend in China und Ostindien gezüchtet, erst um 500 nach Christus hielt der Einzug in Europa. „Friedrich der Große ließ im 18. Jahrhundert verstärkt Maulbeerbäume in Deutschland anbauen, Schul- und Kirchhöfe sowie Straßenränder wurden bevorzugt bepflanzt. Selbstversorgung in Sachen Seidenproduktion schwebte dem König vor. Doch diese Initiativen erwiesen sich zumindest für die Produktion von Naturseide als Flop. Eine Wiederholung der königlichen Idee organisierte das  Nazi-Regime. In den 30iger Jahren dieses Jahrhunderts stand erneut die Autarkie diesmal bei der Versorgung mit Fallschirmseide im Vordergrund“, erzählt Stiemerling. Insbesondere Schulen seien um 1940 zum Anbau von Maulbeerbäumen und der Zucht von Seidenraupen angehalten worden, um dem Führer in der Erzeugerschlacht beizustehen. Rund 140 000 Fallschirme habe man damals sogar hergestellt, in Wahrheit aber sei der Seidenraupenanbau eine reine Beschäftigungsmaßnahme für die zahlreichen Arbeitslosen sowie eine ideale Möglichkeit zur Verbreitung und Festigung von Hitlers Rassentheorie in den Schulen gewesen. Stiemerlings Repertoire an Geschichten und Kuriositäten, die sich rund um den Maulbeerspinner ranken, scheint schier unerschöpflich und ist niemals langweilig.

 

Seidenspinner zum "Aufkleben"


Briefmarken aus aller Welt - Zeichen der Wertschätzung für eine Raupe, die das Rohmaterial für die edelsten und vielseitigen Stoffe liefert.

Nebenbei ist der Rentner leidenschaftlicher Philatelist. Natürlich ist auch dieses Hobby eng mit den Seidenraupen verknüpft. Denn in seinem Album haben nur Briefmarken mit Seidenspinnern Lande-erlaubnis. „Bis auf eine Briefmarke findet sich in meinem Album alles, was je an Briefmarken über den Seidenanbau herausgekommen ist.“ Sein Briefmarkenalbum, das Stiemerling mit interessanten Textpassagen zum Thema versehen hat, wurde vor einigen Jahren sogar im Krefelder „Haus der Seidenkultur“ ausgestellt.

 

Wie es bei Stiemerling-Wickerts weitergeht

Zurück ins Röttgener Raupenquartier: Was macht Rolf Stiemerling, sobald sich alle Raupen in ihrem Kokon verpuppt haben? Wird eine neue Generation in die Kinderstube einziehen? „Nein“, sagt er. „Nachdem ich mich so viele Jahre mit diesen Tieren beschäftigt habe, wollte ich sie einmal live und in Farbe erleben und studieren. Eine Zucht aufzubauen, war nie mein Ziel, das ist einfach zu aufwendig.“ Einige Falter werden wohl schlüpfen und Eier ablegen dürfen, ausgebrütet werden sie jedoch nicht. Dennoch wird Bombyx mori nicht aus dem Haus der Stiemerling-Wickerts verschwinden. Malerin Käthe Wickert, die übrigens auch Mitglied im Arbeitskreis „Bildende Kunst“ ist, hat schon einige Ideen, wie sie die Kokons künstlerisch verarbeiten könnte.

 

Detaillierte Informationen zum Thema erhalten alle Interessierten beim Ehepaar Stiemerling-Wickert unter Tel.: 0228-255 210.

 

 

 
  Textfeld: Seide, so vielseitig wie kaum ein anderer Stoff Einige Anwendungsgebiete: • Seide schmeichelt als: Dessous, Seidenstrümpfe, Kleider, Kissen, Bettwäsche, Schleier, Krawatten etc. • Seide als Statussymbol für: Gewänder, Wimpel • Seide als technisches Gewebe: Schreibmaschinenfarbbänder, Fallschirme, Nähgarn, Lampenschirme, in Getreidemühlen als Mehlsiebe, als Pulverkartuschbeutel bei der Artillerie, bei den Pionieren der Flieger als Flügelbespannung (leicht und haltbar), Ballonhüllen, Angelschnüre, Fischer- und Planktonnetzte etc. • Seide in der Medizin: im Krieg wurde Wundseide von den Ärzten an der Front häufig genutzt, Beschichtung für z.B. Brustimplantate • Seide als kampferprobtes Material: Bogensehne (belegt für Reflexbögen der „Steppenkrieger“, Seidenwamst als Schutzweste • Seidenleim in der Kosmetik: hautfreundlicher Bestandteil in Hand- und Bodylotions, in Haarpflegeprodukten

 

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Röttgen rockt

An Weiberfastnacht stürmte es in Röttgen nur in der Turnhalle der Schlossbachschule. Während sich draußen die vorhergesagten Sturmböen lediglich als starker Wind entpuppten, bereiteten rund 120 kleine und große bunt kostümierte Jecken den einziehenden Gardecorps, Musikgruppen, Rednern sowie dem Bonner Prinzenpaar und Röttgens Kinderprinzessin Mara I. einen stürmischen Empfang. Die gute Laune ebbte auch nach der gut fünfstündigen Sitzung nicht ab. Im Gegenteil. Denn last but not least tanzte Röttgens legendäres Männerballett Bodo und die Ballermänner. Deren halbstündige Show brachte nicht nur die Frauen außer Rand und Band auch die Männer klatschten kräftig Beifall, während die Kids nach jedem Tanz lautstark Zugaben forderten.

 

Ansonsten ließen es vier Musikgruppen so richtig krachen und brachten Schwung in den Laden. Stephan Rohde, Bandleader und Gitarrist der Gruppe „Karobuben“ sowie Clemens Roer, Keyboarder der Kölschrock-Gruppe „Dave Zwieback“ hatten an diesem Nachmittag sogar ein Heimspiel, denn beide sind in Röttgen aufgewachsen. Auch die beiden anderen Band (De Schlappkappe und 5 Jraad) animierten zum Mitsingen, Schunklen und Tanzen und das sogar über Tische und Bänke!


Für gute Stimmung sorgte auch der Auftritt des Bonner Prinzenpaares. Patty I. hatte ihren Prinzen kurzerhand entmachtet, sich dessen Narrenkappe und Zepter angeeignet und ergriff am Tag der Möhne emanzipiert als Erste das Wort. Sie spreizte sich ordentlich und rieb die Federn der Narrenkappe den umstehenden Offizieren der Bonner Stadtsoldaten gründlich unter die Nasen. Grüne Strümpfe und Blümchenschuhe, mit dieser modischen Extravaganz wich Patty I. ebenfalls vom Protokoll ab und machte deutlich, dass sie sich an diesem Tag nun wirklich nichts vorschreiben ließ. Prinz Miko I. wirkte dagegen mit dem Krätzchen der Bonna auf dem Kopf etwas eingeschüchtert, klagte eine wenig über die Hausarbeit, die Männer und plauderte über das Dasein als Wäscheprinzessin. Aber nicht nur dieser närrische Rollentausch war ein Angriff auf die Lachmuskeln, auch das Rednerduo Botz un Bötzje kamen später noch gut an.

Für Joachim Stamp gab´s tüchtig was auf die Ohren. Stephan Eisel nutzt die günstige Gelegenheit!
Für Joachim Stamp gab´s tüchtig was auf die Ohren. Stephan Eisel nutzt die günstige Gelegenheit!

Im Gefolge des Musikcorps der Stadtsoldaten hatte sich Prominenz in Person von Dr. Stephan Eisel eingefunden. Der nutzte die Gelegenheit seinem „politischem Kontrahenten“ von der FDP-Fraktion Dr. Joachim Stamp noch schnell ein paar schlagfeste Argumente mitzugeben. Als weiterer prominenter Gast aus der Politik wurde Dr.Christos Katzidis (CDU) begrüßt.

 

 

Ein Stelldichein gab sich auch Kinderprinzessin Mara I. (Mara Wallrath) mit ihrer Paginnen Lara (Lara Dölger). Begleitet wurden sie von der Prinzengarde Weiß-Rot, die sowohl mit ihren Gardetänzen als auch dem Showtanz begeisterten. Mit einem Riesenaufgebot, das kaum auf die Bühne passte rückte zu Beginn der Sitzung die Bonner Ehrengarde mit Musikcorp, Mariechen, Tanzoffizieren, dem Koch der Truppe und den Soldaten an. Letztere wibbelten was das Zeug hielt während die Tanzoffiziere mit den Mariechen in und auf dem Arm über die Bühne wirbelten.

 

Etwas ruhiger aber mit umso mehr Charme präsentierte sich die Damentanzgruppe der Röttgener Prinzengarde "Knöddelsföös". Die Namensgebung ist jedoch ein wenig irreführend, denn  immerhin schaffen es die Köddelsföös seit 30 Jahren ihre Choreografie vollkommen ohne Knöddel in de Föös vorzuführen.

 

Zufrieden waren nicht nur die Jecken im Saal, sondern auch die Organisatoren. Der Festausschuss hatte ein flottes Programm zusammengestellt und wartete zudem erstmals mit Currywurst auf dem Speisenplan auf. Die Helfer und Helferinnen an der Essens- und Getränkeausgabe hatten jedenfalls alle Hände voll zu tun und auch Frank Edelmann, 1. Vorsitzender des Festausschusses freute sich über den reißenden Absatz und die ausgelassenen Stimmung: „ So macht organisatorische Arbeit Spaß, wenn man sieht, wie die Leute schunklen, klatschen, tanzen und sich über einen unbeschwerten Nachmittag freuen. Das ist für uns die schönste Bestätigung unserer ehrenamtlichen Arbeit.“

 

Weiberfastnacht in Röttgen: Fotos hier.

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Was es mit Weiberfastnacht auf sich hat

Im Rheinland ist der Donnerstag vor Aschermittwoch der Tag der "Altweiberfastnacht" oder einfach "Weiber-fastnacht“ bzw. „Wieverfastelovend“ wenn man´s ganz genau nimmt. An diesem Tag übernehmen die Frauen bzw. die „Möhnen“ (wie es im Rheinland heißt) das Regiment und stürmen in vielen Städten die Rathäuser. Mit Weiberfastnacht startet auch der traditionelle Straßenkarneval.

 

Auf den Märkten, in den Straßen und Kneipen geht es dann hoch her und vor allem Männer mit Schlips und Kragen sollten auf der Hut sein. Denn es ist mehr als wahrscheinlich, dass ihre Krawatte der Schere der jecken Wiever zum Opfer fällt. Ein Brauch, der sich erst nach 1945 verbreitet haben und keinen Zweifel daran lassen soll, wer an diesem Tag das Sagen hat.

 

Woher aber kommt die Tradition der Weiberfastnacht? Die Spurensuche führt hier zurück bis ins Mittelalter. Bereits in dieser Zeit wurde in den Kölner Klöstern am Donnerstag vor Fastnacht die sogenannte Pfaffenfastnacht gefeiert. Besonders in den Nonnenklöstern muss es hoch hergegangen sein. Aus dem Benediktinerkloster St.Mauritius wird vom Karneval 1729 berichtet, dass man die Fastnacht in voller Lust gefeiert hätte, und alle Nonnen seien verkleidet gewesen. Am Tag wurde getanzt und gesprungen und des Nachts, als die Äbtissin schlafen gegangen war, wurde bei Kaffee und Tee Karten und Dame gespielt. Die Pfaffenfastnacht verschwand mit dem Einzug der französischen Revolutionsarmee 1794 in Köln, als alle Klöster aufgelöst wurden.

 

Auch auf den Straßen Kölns wurde von den Frauen Weiberfastnacht gefeiert, besonders von den Marktfrauen auf dem Altermarkt. Die Frauen rissen sich gegenseitig die Mützen und Hüte vom Kopf. Das Ganze nannte man "Mötzebestot" (kölsch für "Mützenbestapelung"). Der Hintersinn dieses Brauchs liegt in der Bedeutung des Sprichworts "unter die Haube bringen". Eine Tochter "unter die Haube bringen" heißt, sie zu verheiraten oder ins Kloster zu geben. Dieser Brauch hielt sich etwa bis gegen 1890. Nicht aufgegeben wurde jedoch das närrische Treiben auf den Marktplätzen und in den Straßen. So hat sich Weiberfastnacht bis heute als „Tag der Frauen“ im Karneval erhalten.

Auch in anderen Regionen hat Weiberfastnacht Tradition –allerdings unter anderen Namen. Je nach Region sind Bezeichnungen wie schmutziger Donnerstag, schmotziger Donnerstag, dicker Donnerstag, unsinniger Donnerstag oder auch gumpiger Donnerstag geläufig.

 

Was aber ist an dem schmutzigen Donnerstag so schmutzig? Und was gibt es da zu feiern? Den Hausputz etwa? Im Schwäbisch-alemannischen hat das Wort „Schmutz“ nichts mit Dreck zu tun. Es leitet sich vielmehr von dem Begriff „Schmotz“ ab, was übersetzt soviel wie „Fett“ bedeutet. In manchen Orten heißt der schmutzige Donnerstag daher auch „fetter“ oder „feister Donnerstag“.

 

All diese Ausdrücke erinnern an den früheren Fastnachtsbrauch, dass an diesem Donnerstag letztmalig vor Aschermittwoch geschlachtet wurde und in Folge dieser Schlachtung die fettgebackenen Fastnachtsküchlein bzw. Fastnachtskrapfen hergestellt wurden. Noch heute findet in manchen Orten traditionell donnerstags ein Schlachtfest statt.

 

Andere übliche Bezeichnungen für den Fastnachtsdonnerstag sind beispielsweise "unsinniger Donnerstag" oder "gumpiger Donnerstag". Sie betonen vor allem den närrischen Aspekt. So leitet sich "gumpig" aus dem Mittelhochdeutschen "gumpen" ab. Es bedeutet "sich auf und ab bewegen", "hüpfen" oder im weiteren Sinne "Possenreißen".

 

Gleichbedeutende und ebenfalls häufig gehörte Begriffe für schmutziger Donnerstag sind:

•Schmotziger Dunschtich

•Schmotziger Dauschtich

•Schmotziga Dorschdich

•Dicker Donnerstag

•Unsinniger Donnerstag

•Schmotziga Dauschteg

•Gombiger Doschdig

•Gumpiger Dunschtig

•Glombiger Doschdig

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Das kölsche Grundgesetz auf Kölsch und Hochdeutsch

Für alle, die es nicht kennen oder wieder vergessen haben:


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Kein Karneval ohne Orden: Sie persiflieren und sind Zeichen der Anerkennung und des Dankes

Mit dem organisierten Karneval begann auch die Geschichte der Karnevalsorden. In Köln wurden die ersten Karnevalsorden bereits 1824 verliehen. Etwa um 1880 taten es die Bonner den Kölnern gleich und so begann auch hier die Tradition der Ordensverleihung. Ob nun in Köln oder Bonn, beide Städte machten sich mit der Vergabe von Orden nur allzu gern über die Preußen lustig, die ab 1822 das Rheinland besetzt hielten.

 

Nun ist der Rheinländer nicht gern Untertan und Obrigkeitsdenken ist ihm von jeher ein Dorn im Auge. Die Renitenz der Rheinländer gegen die Preußen fand ein Ventil im Spott. So sind die Karnevalsorden eine Persiflage auf staatliche und militärische Orden, Schärpen und Brustbänder. Seither sind die Orden aus dem Karneval nicht mehr wegzudenken.

 

Dabei ist die Gestaltung der Orden so verschieden wie es Karnevalsvereine gibt. Themen aus Politik, Geschichte, Kirche, bekannte Persönlichkeiten, bönnsches Milieu u.v.m. werden hier dargestellt. Natürlich entwerfen die Vereine individuell für jede Session neue Orden. So gibt es eine Flut unterschiedlicher Motive und Ausführungen. Grob betrachtet unterscheidet man

drei Ordensarten:

  • Prunkorden: Sie sind echten militärischen oder staatlichen Auszeichnungen (wie z.B. dem Bundesverdienstkreuz) nachempfunden.
  • Motivorden: Diese stellen oftmals Szenen aus der Stadt oder der Vereinsgeschichte dar. Sie werden an Aktive eines Karnevalsvereins oder lokale Prominente etc. verliehen.
  • Verdienstorden: Sie werden für besondere Verdienste oder eine lange Tätigkeit im Ehrenamt verliehen.

Diese Orden sind durchaus ernst gemeinte Auszeichnungen, so dass hier keine Rede mehr von einer Persiflage sein kann.

 

Der höchste Orden, der im bönnschen Karneval vergeben werden kann ist der persönliche Orden von Prinz und Bonna. Dieser wird individuell nach den Vorstellungen des amtierenden Prinzenpaares angefertigt und ist nicht käuflich. Prinz und Bonna verleihen den persönlichen Orden nach eigenem Ermessen. Und wie der Name schon sagt, kann dieser Orden auch nur vom Prinzenpaar persönlich vergeben werden.

 

In Bonn sind mehrere Firmen, die Orden herstellen, ansässig. Sie produzieren pro Jahr zirka 160.000 Orden und 360.000 Abzeichen. Damit erwirtschaften sie einen Umsatz von etwa drei Millionen Euro. Auch hier gilt: Der Karneval ist ein Wirtschaftsfaktor. Übrigens: Der Festausschuss Bonner Karneval verfügt über eine umfangreiche Ordenssammlung. Sie kann während einer Führung im Haus des Karnevals besichtigt werden. Der älteste Orden in diesem Archiv stammt aus dem Jahr 1890.

 

Ordensjäger und -sammler

Eine Ausbeute von rund 50 Orden sind in Prinzessin Xenias Amtszeit 2014/15 zusammengekommen.In der Karnevalszeit schmücken sie das Treppengeländer.
Eine Ausbeute von rund 50 Orden sind in Prinzessin Xenias Amtszeit 2014/15 zusammengekommen.In der Karnevalszeit schmücken sie das Treppengeländer.
Zweifellos der interessanteste Orden in Xenias Sammlung: der Orden des Bonner Prinzenpaares Jürgen Römer und Nora Jordan
Zweifellos der interessanteste Orden in Xenias Sammlung: der Orden des Bonner Prinzenpaares Jürgen Römer und Nora Jordan

Eins jedenfalls ist mal sicher: Keine Sitzung und kein Auftritt ohne Orden! Bei der Ordensverleihung lässt sich der Jeck im Allgemeinen nicht lumpen. Die „Blechanhänger“ sind heiß begehrte Ehrenzeichen, die von Karnevalisten verschenkt und auf der anderen Seite gesammelt werden.

 

Xenia Zimmermann, Röttgens Kinder-prinzessin der Session 2014/15 z.B. kann auf eine stattliche Sammlung von rund 50 Orden schauen. Neben ihrem eigenen Orden, der ihr vom Festausschuss Röttgen Ückesdorf verliehen wurde, ist der Orden vom Karnevalsprinzenpaar Jürgen I. (Jürgen Römer) und Nora I. (Nora Jordan). „Diesen Orden finde ich besonders schön, weil er mal was anderes ist“, sagt Xenia, „in der Mitte des Ordens ist nämlich ein kleines Fenster eingelassen, in dem eine kurze Diashow zu Bonns Glücksfällen von früher bis heute zu sehen ist.“

Typisch für den Niederrhein: Orden mit Windmühlenmotiv. Diesen ergatterte Xenia in Kempen
Typisch für den Niederrhein: Orden mit Windmühlenmotiv. Diesen ergatterte Xenia in Kempen

 

Xenia gefällt vor allem die Vorstellung, dass nicht nur sie Orden ergattern konnte, sondern dass umgekehrt überall dort, wo sie als Kinderprinzessin aufgetreten ist, nun auch der Röttgener Prinzenorden zu finden ist. Sogar in Kempen am Niederrhein gibt es jetzt den Röttgener Karnevalsorden der Session 2014/15.

 

 

 

 

 

 

Auch in Röttgen haben Karnevalsorden Tradition

Eine "Pinwand" voller Auszeichnungen im Vereinraum des Röttgener Festausschusses.
Eine "Pinwand" voller Auszeichnungen im Vereinraum des Röttgener Festausschusses.

In Röttgen startete die Geschichte mit den Orden im Jahr 1975. Paul Butscheid und Inis Hecker erhielten als erstes Kinderprinzenpaar einen eigenen Prinzenorden. Ausgesucht und finanziert wurde dieser noch von den Eltern des Prinzenpaares. Ab 1990 übernahm der Festausschuss Röttgen unter dem Vorsitz von Anna-Maria Esser die Auswahl sowie die Kosten für die Orden. Seit 2002 ist Gustav Hecker (seit 2014 Ehrenvorsitzender des Festausschusses Röttgen Ückesdorf) offizieller „Ordensbeauftragter“ des Vereins. „Irgendwann wurden mir aber die Orden von der Stange zu langweilig und zu unpersönlich“, sagt er. Und so setzte sich Hecker hin und entwickelte vor etwa neun Jahren eigene Kreationen. „Dabei war und ist es mir wichtig heimatverbundene Motive auf den Orden zu verarbeiten“, so Hecker. Röttgener und Ückesdorfer Schmuckstückchen wie die Venantius- oder die Hubertuskapelle, das verlorene Schloss Herzogsfreude, Motive aus dem Kottenforst und vieles mehr sind neben dem Emblem des Festausschusses und einem eingearbeiteten Foto mit Namen des jeweiligen Prinzenpaares auf den jährlich wechselnden Orden zu sehen.

Traditionsgemäß wird dieser Festausschuss-Orden im Rahmen der Prinzenproklamation an das jeweilige Kinderprinzenpaar überreicht.

Die Orden des Festausschusses zeigen stets das Prinzenpaar und sind mit heimatlichen Motiven geschmückt. Von li. nach re. die Orden aus den Jahren 2017; 2016; 2015
Die Orden des Festausschusses zeigen stets das Prinzenpaar und sind mit heimatlichen Motiven geschmückt. Von li. nach re. die Orden aus den Jahren 2017; 2016; 2015
Die persönlichen Orden für das Prinzenpaar (links) und ihre Pagen (rechts)
Die persönlichen Orden für das Prinzenpaar (links) und ihre Pagen (rechts)

Wie die Großen erhalten auch die Röttgener/ Ückesdorfer Kinderprinzenpaare und ihre Pagen einen persönlichen Orden, der ihnen vom Festausschuss stets beim Kinderkostümfest verliehen wird. „Diesen Orden gibt es jedoch erst seit dem 40-jährigen Bestehen des Festausschusses im Jahr 2010“ erzählt Gustav Hecker zur Geschichte: „Anlässlich diesen Jubiläums haben wir auch allen ehemaligen Kinderprinzenpaaren den persönlichen Orden nachträglich überreicht.“ Allerdings ist dieser persönliche Orden nicht wie beim Bonner Prinzenpaar individuell gestaltet. „Bei uns unterscheidet sich zwar der Pagen- vom Prinzenorden“, erklärt Hecker, „ Das Design bleibt aber über die Jahre gleich.“

 

Auch die Seniorenorden sind Unikate, angefertigt von Gisela Krebs.
Auch die Seniorenorden sind Unikate, angefertigt von Gisela Krebs.

Traditionell erhalten die Kinderprinzenpaare bei jeder Karnevalsveranstaltung in Röttgen eine Auszeichnung:

  • Den Orden des Festausschusses bei der Prinzenproklamation
  • Den persönlichen Orden beim Kinderkostümfest
  • Den selbstgebastelten Orden der Senioren beim Seniorenkarneval
  • Ein graviertes Glasgefäß (meist ein Trinkglas oder eine Bonboniere) auf Weiberfastnacht

 

Aber auch die Röttgener Prinzengarde Weiß-Rot kreiert seit der Vereinsgründung vor 30 Jahren jährlich originelle Karnevalsorden. „Wir setzten da auf den Einfallsreichtum unserer Mitglieder“ berichtet Willi Juchem, 1. Vorsitzender des Vereins. So sei in diesem Jahr wie am Motiv des Ordens unschwer zu erkennen ist Busfahrer Dirk Goebel maßgeblich am Entwurf beteiligt gewesen.

Wer gern mal einen Blick auf die Orden der Prinzengarde werfen möchte kann dies unter folgendem Link tun:

www.weiss-rot-roettgen.de

 

Prinzengarde Weiß-Rot op Jöck im VIP-Shuttle
Prinzengarde Weiß-Rot op Jöck im VIP-Shuttle
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Küsschen hier und Küsschen da - Dat Bützchen im Karneval

Im Karneval wird nicht nur reichlich Kamelle geworfen, es wird auch reichlich jebütz! Ein Küsschen in Ehren kann schließlich niemand verwehren. Dat Bützchen (Küsschen) dient aber keineswegs der Anmache und ist schon gar nicht Ausdruck sexuellen Verlangens; es ist Zeichen der Freude und des Frohsinns. Ein Bützje bleibt unverbindlich, verpflichtet zu nichts und wird an viele verteilt.

 

Clown küsst Indianer, Piraten den Pastor und auch die Polizeibeamten am Wegesrand dürfen im Karneval durchaus jebützt werden.

Selbst unsere Royals tun es!

Da gibt es keine Ressentiments. Bützchen werden speziell an Weiberfastnacht für eine abgeschnittene Krawatte eingefordert, zum Dank für ein Kölsch oder ein Strüssje oder auch einfach nur so.

 

Aber aufgepasst: Hier wird anständig jebütz! 

Das Bützche ist kein Abschlecken und auch kein feuriger Kuss. Er ist auch kein Startschuss für hemmungslose Knutscherei, es sei denn das Gegenüber signalisiert eindeutiges Einverständnis. Wer also viele Bützchen absahnen will, sollte auch im Karneval nett und höflich sein und nicht gegen den Willen seines Gegenübers wild drauf los bützen. Klassischerweise wird auf die Wange geküsst. Doch ganz so genau nehmen es die Jecken meist nicht. Ein sachter Kuss auf den Mund, ans Ohr oder vorsichtig aufs Dekolleté platziert ist durchaus möglich. Dazu die Lippen fein säuberlich gespitzt und dann fröhlich drauf los jebütz. Kurz: Ein Bützchen muss appetitlich sein! Ein dicker Schmatzer –gern in Kombination mit einer kurzen, herzlichen Umarmung- darf´s auch mal sein.

 

Eifersucht ist auf der Bützchenjagd jedoch fehl am Platz. Zwar darf auf Teufel komm raus geflirtet werden, aber auch das bleibt in der Regel unverbindlich und ist spätestens Aschermittwoch vergessen. Im rheinischen Karneval geht es schließlich nicht um Zärtlichkeit oder die Suche nach der großen Liebe. Obwohl sie hier und da schon mal entfacht wurde.

 

Nicht nur die Jecken auf der Straße bützen gern, auch das karnevalistische Liedgut strotzt nur so vor Küsschen. Schon Willi Ostermann sang „Kölsche Mädcher künne bütze“ (jo dat es en wahre Staat. Su e Bützche vun ´nem Nützche, Jung dat schmeck wie Appeltaat.). 1948 hieß es bei Karl Berbuer „Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien….Wir sind zwar keine Menschenfresser, doch wir küssen umso besser“ und auch das aktuelle Liedgut beschäftigt sich gern mit der Küsserei. So lobsingen die Räuber: „Kölsche Junge bütze joot, wie die Stars in Hollywood…“

 

Übrigens auch die Stadt Bonn hat den Kuss wiederentdeckt. Ihr Slogan lautet: „Diesen Kuss der ganzen Welt“. Den Bonner Kussmund, der in den 70ern regelrechten Kultcharakter hatte, können Besucher nun wieder mit nach Hause nehmen: Als bleibende Erinnerung auf einer Kaffeetasse, einem Frühstücksbrettchen oder als Aufkleber an all die Bützchen, die man im Bonner Karneval einheimsen konnte.

 

Was die Stadt Bonn kann, können wir in Röttgen und Ückesdorf allemal, deshalb ein dreifaches :

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Mit "Alaaf" rheinisches Lebensgefühl zelebrieren

Röttgen Alaaf!

Prinzessin Mara I. Alaaf!

Ückesdorf Alaaf!

 

So jubeln die Jecken in Röttgen undÜckesdorf nun wieder bis zum Aschermittwoch. Dazu: Pappnas, Kölsch, Gardetänze, Schunkeln und Kamelle – alles klar, weiß hier jeder.

 

Seit wann aber gibt es den närrischen „Schlachtruf“, der einem auf den Straßen und im Sitzungskarneval ständig begegnet? Und was bedeutet er überhaupt?

 

Bevor wir uns diesen Fragen widmen, das Wichtigste zuerst (für Imis, also Zugezogene, die nicht aus der Köln-Bonner-Bucht stammen): „Alaaf“ ist auf GAR KEINEN FALL und UNTER KEINEN UMSTÄNDEN zu verwechseln mit „Helau“, denn das ist der Schlachtruf der Mainzer und Düsseldorfer, und damit in Kölner und Bonner Karneval absolut tabu! Bei einer Verwechslung hier auf die sprichwörtliche Toleranz der Kölner und Bonner zu hoffen, ist allemal zwecklos.

 

Nachdem das also geklärt ist, nun zum Ursprung des rheinischen Hochrufes. Tatsächlich ist der Ausruf schon deutlich älter als der organisierte Karneval, der in Bonn um 1825 aus der Taufe gehoben wurde. Der Kölner Philologe Heribert Augustinus Hilgers (1935-2012) erforschte an der Universität Köln jahrzehntelang die kölsche Sproch und fand heraus, dass „Alaaf“ als Jubel-und Trinkspruch schon seit etwa 1550 nachweisbar ist. Als Beleg dient ein Kölner Tonkrug mit der Aufschrift „Allaf fur einen goden druinck“. Womit gemeint ist „für einen guten Trunk lasse ich alles stehen“. Übrigens: Auch in der Frechener Gegend sowie dem belgischen Raeren, nahe Aachen, sind dergleichen Tonkrüge gefunden worden.

 

Laut Hilgers bedeutet der Hochruf „All af“ soviel wie „alles abwärts“ oder „alles andere nieder“. Der Lob- und Trinkspruch stand zunächst also in keinerlei Beziehung zum Karneval. Erst als sich der Karneval wandelte und in institutionalisierter Form mehr und mehr die Straße und die Öffentlichkeit eroberte, erst da wurde „Alaaf“ zum vertrauten Schlachtruf der tollen Tage.

Wer heute zum Beispiel „Röttgen Alaaf“ ruft, will sagen:

 

“Alles steht für mich unter Röttgen.

Erst kommt Röttgen, danach ganz lange nichts.

Nichts geht mir über Röttgen.“

 

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Walter Christian: Ein Lehrer mit Leib und Seele geht in Ruhestand

Walter Christian: Nach 38 Jahren Schuldienst kann er sich jetzt mehr um die Familie und seine Hobbys kümmern
Walter Christian: Nach 38 Jahren Schuldienst kann er sich jetzt mehr um die Familie und seine Hobbys kümmern

„Den habe ich immer sehr gemocht“, erinnert sich eine ehemalige Schülerin an ihren Religionslehrer. „Er ist der friedliebendste Mensch, den ich kenne, und dabei so streitbar wie kaum ein anderer. Seine verbindliche, ruhige Art, sein Engagement und seinen Einsatz für die Schüler habe ich immer sehr geschätzt.“ Die Rede ist von Walter Christian, Lehrer für katholische Religion und Deutsch am Carl-von-Ossietzky-Gymnasium (CvO).

 

Nach 38 Schuljahren verabschiedet sich nun ein Urgestein der Schule in den Ruhestand. Aber auch wenn der aktive Schuldienst nun zu Ende ist, Walter Christian hat noch viel vor. Als Vorsitzender des Potsdam-Clubs, Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der Geschichtsvereine in Bonn, des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Landschaftsschutz sowie der Lenné-Gesellschaft wird es auch im Ruhestand nicht langweilig. Auch freut er sich darauf, nun mehr Zeit mit seiner Familie, insbesondere mit seinen Enkeln und seiner Frau, die ihm all die Jahre den Rücken für seine Arbeit freigehalten habe, verbringen zu können.

 

Mit Walter Christian geht nun einer, der die Schulgeschichte wie kaum ein anderer kennt. Zahlreiche Schülergenerationen hat er durch die Schulzeit begleitet, drei Direktoren miterlebt, und auch an der Entwicklung des CvO hin zu einer Ganztagsschule war er maßgeblich mitbeteiligt.

 

Sowohl im Beruf als auch privat stand er stets aktiv für seine Überzeugungen ein. Schon als er zum Studium von Bitburg nach Bonn kam, mobilisierte ihn die Einberufung zum Militär zu politischem Engagement. NRW-weit baute er ein Beratungsnetz für Kriegsdienstverweigerer auf und organisierte in Bonn die ersten Proteste der Friedensbewegung mit. Seine Berufswahl und auch die Entscheidung für die Geisteswissenschaften mit den Fächern Deutsch, Religion und für die Sozialwissenschaften (wobei er erst ganz zum Schluss Politik unterrichtet hat) habe er nie bereut: „Wie Goethes Faust wollte ich immer verstehen, was die Welt im Innersten zusammenhält“. Die Fragen seiner Schüler hätten nicht selten seine Neugier zusätzlich beflügelt. Oft habe er mit Exkursionen und Aktionen den Wirklichkeitsbezug der Unterrichtsthemen hergestellt. Aber nicht nur deswegen sei er gern Lehrer gewesen. Neben der reinen Unterrichtstätigkeit wollte er auch ein guter Pädagoge sein. „Wichtig war mir immer das Wohl der Schüler.“ Hierfür trat Walter Christian auch gegen Widerstände bei Kollegen, Eltern und seinen Schülern ein – respektvoll, geduldig, aber vehement. „Diese menschliche Auseinandersetzung mit dem Ziel einer versöhnlichen Lösung wird mir sicher am meisten fehlen“, meint er im Hinblick auf seine Zukunft.

 

Das Vertrauen seiner Schüler, das ihm besonders am Herzen lag, erwarb er nicht zuletzt durch außerschulische Aktivitäten. „Deshalb habe ich gern mit ihnen Theater gespielt und neben vielen Klassenfahrten vornehmlich in die neuen Bundesländer auch mit angehenden Abiturienten Rucksacktouren nach Griechenland unternommen, zur Vorbereitung in die Südeifel, wo wir in den Gärten meiner Verwandten zum Übernachten unsere Zelte aufschlagen durften.“ Und auch sonst fanden die Schüler in Walter Christian einen bereitwilligen Unterstützer und Förderer von Aktivitäten, die über den Schulalltag hinausgingen. So leitete er 17 Jahre lang die Dritte-Welt-AG, aus der sogar eine langjährige und erfolgreiche Patenschaft für vier peruanische Schüler hervorging.

 

Für die Schülerzeitung „Zündstoff“ gestaltete er das Layout und überprüfte die Texte auf „Sozialverträglichkeit und Richtigkeit. Denn nicht immer kamen die Lehrer dabei gut weg“, schmunzelt Christian heute. „Dennoch habe ich hier und da ein Auge zugedrückt und etwas durchgehen lassen, für das die damalige Direktorin uns einmal auch ordentlich die Leviten gelesen hat“, erinnert er sich. Als allerdings 1996 ein Betreuer für den Schulsanitätsdienst gesucht wurde, winkte Christian zunächst ab: „Der medizinische Bereich war nun wirklich das allerletzte, was ich mir vorstellen konnte.“ Dennoch half er schließlich auch hier. Gemeinsam mit den Schülern erlernte er Erste-Hilfe-Maßnahmen beim Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes, der damals Schulsanitätsdienste in Bonn initiierte und koordinierte. Die CvO-Sanis entwickelten dank der Mithilfe einer Elternmutter mit Krankenschwester-Erfahrung Vorbildqualitäten, weshalb man Christian im Jugendrotkreuz zum Kreisleiter wählte. Dieses Amt bekleidete er fünf Jahre lang. Dass es den CvO-Sanitätsdienst nach 20 Jahren auch heute noch gibt, erfülle ihn mit Stolz, sagt er.Nicht unerwähnt bleiben dürfen die zahlreichen Schulgottesdienste, um die er sich von Anfang an gekümmert hat, seit vielen Jahren hauptverantwortlich als Leiter der Fachschaft und Vorsitzender der Fachkonferenz Katholische Religionslehre bis heute.

 

Die prägendste Erfahrung in seiner Dienstzeit sei zweifellos die Umstrukturierung der Schule zu einer Ganztagsschule (1990) gewesen. Ein dramatischer Rückgang der Schülerzahlen Mitte der 1980er Jahre habe diesen Schritt notwendig gemacht und das gesamte Kollegium zur Rettung der Schule mobilisiert. „Mit Pioniergeist und kindlicher Freude haben wir in den Sommerferien unsere Schule umgebaut. Für die Essensausgabe haben wir aus Spanplatten eine Theke gebastelt, den Mensaraum ausgestaltet, einen Spieleraum eingerichtet u.v.m. Auch viele Eltern und Schüler haben uns dabei tatkräftig unterstützt“, erzählt Walter Christian. In dieser Zeit betrieb er Pressearbeit, mit der er auf die Schule aufmerksam machen wollte und es bis heute mittlerweile als offizieller Pressesprecher noch tut. „Diese Umbruchphase halte ich für die Hauptquelle der positiven kollegialen Atmosphäre am CvO“, ist sich der Pädagoge sicher, „ein Geist, der immer wieder die neuen Kollegen angesteckt hat und zur Grundstimmung in der Lehrerschaft wurde.“

 

Mit der „Schulbühne“, der jährlichen Ausgabe des Schuljahrbuchs, für dessen Layout Christian seit mehr als 15 Jahren zuständig ist, hinterlässt er eine reichhaltig bebilderte Edition der Schulgeschichte. Ob Theateraufführungen, Schulkonzerte, Wettkämpfe, Tag der offenen Tür oder bei der Verleihung von Auszeichnungen, Walter Christian hielt mit seinem

Fotoapparat alles für die Schulzeitung fest, gestaltete Plakate, Flyer u.v.m. Wer seine Nachfolge bei der „Schulbühne“ und als PR-Koordinator der Schule übernehmen wird, muss sich in nächster Zeit klären. Zunächst steht er für diese Funktionen noch zur Verfügung.

 

Schulleiterin Marie Krahé-Feller jedenfalls wird Walter Christian vermissen: „Er war ein verantwortungsvoller, absolut integrer Kollege, den man Tag und Nacht anrufen konnte und der immer zur Stelle war, wenn er gebraucht wurde. Er hatte eine vorbildliche Einstellung zum Beruf, die man nur weitergeben kann.“

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Männer und Ballett ist wie Comedy und Schwanensee

Seit 20 Jahren präsentieren Bodo und die Ballermänner Männerballett vom Feinsten

Wer hätte das gedacht? – Aus einem Ulk wird eine Institution, die auch weit über die Grenzen Röttgens hinaus bekannt ist, und das schon seit 20 Jahren. Die Rede ist vom Röttgener Männerballett „Bodo und die Ballermänner“. Die Männer in Frauenkleidern sind auf jeder Sitzung ein Renner und erobern insbesondere die Herzen der Damen im Sturm. Und das nicht nur, weil die Herren in Damenstrümpfen und ihren bunten Kleidern einfach lecker anzusehen sind, sondern auch weil sie Jahr für Jahr ein tänzerisch und akrobatisch anspruchsvolles Programm auf die Bühne bringen.

 

Aus Jux und Dollerei tanzen drei Männer als ´alte Kameraden´ vor mehr als 20 Jahren beim Vereinsfest der Röttgener Prinzengarde Weiß-Rot. „Wir haben unter der Bank gelegen vor Lachen“, erinnert sich Annemarie Esser noch genau an die –im wahrsten Sinne des Wortes- umwerfende erste Performance der Männer. Angespornt von so viel Zuspruch und dem Vorbild der Frauen, deren Tanzgruppe ´Knöddelsfööß´ schon seit Jahren im Karneval auftraten, sagten sich die Männer: „Was die Frauen können, können wir auch.“ 1996 war es schließlich soweit: eine Handvoll jecker Vereinsmitglieder aus der Prinzengarde gründeten Röttgens einzigartiges Männerballett ´Bodo und die Ballermänner´. Seither erfreut sich das Ballett wachsender Beliebtheit und tritt während der Session in und rund um Bonn auf.

 

Stimmungskanonen auch außerhalb der Karnevalsession

Auch außerhalb der Karnevalszeit kommt die aktuell elfköpfige Truppe gut an. „Wir haben schon so ziemlich überall getanzt. Auf Geburtstagen, Hochzeiten, Scheidungspartys, Betriebsfesten, Jubiläen aller Art, Polterabenden und Weihnachtsfeiern“, erzählt Willi Juchem, Gründungsmitglied desMännerballetts und 1. Vorsitzender derPrinzengarde Weiß-Rot-Röttgen e.V. , zu deren Tanzgruppen auch Bodo und die Ballermänner gehören. „Lediglich auf Beerdigungen sind wir noch nichtaufgetreten.“ Besonders gern erinnern sich Juchem und auch Udo Lenz, der ebenfalls von Anfang an dabei ist, an den Auftritt bei einer Schwulenhochzeit. „Das war eine unbeschreiblich schöne und einzigartige Stimmung, wie wir sie noch nie erlebt haben. Aber natürlich sind auch Mädchensitzungen und Auftritte in rappelvollen Kneipen oder Festzelten immer wieder toll. Wenn die Leute sich auf den Spaß einlassen, mitsingen und jubeln ist das für uns einfach großartig“, sind sich die beiden einig.

 

Während Udo Lenz noch aktiv das Tanzbein in der Männerformation schwingt, hat Juchem sich seit ca. zwei Jahren auf die Moderation der Auftritte verlegt. Immer einen flotten Spruch auf den Lippen spielt er seine Qualitäten als Entertainer und Frontmann der Truppe aus. „Ich kann zwar leider nicht mehr mittanzen –die Knie, sie wissen schon- aber der direkte Kontakt und das Spiel mit dem Publikum machen auch unglaublich viel Spaß.“ So ist und bleibt Juchem  fester Bestandteil des Balletts, in dem vom Dachdecker bis zum Professor alles zu finden ist.

 

Eine Gleichung die aufgeht:

Kreative Kostüme + ausgefeilte Choreografien = anspruchsvolles, erfolgreiches Ballett

Ob als Stewardessen, Zigeunerinnen, Funkenmariechen, Hawaimädchen oder im rosa Mini-Kleidchen -die Männer begeistern in jedem Outfit mit ausgefeilten Choreografien. Nicht umsonst haben Bodo und die Ballermänner bereits zahlreiche Preise bei Turnieren und Stadtmeisterschaften gewonnen. Zuletzt 2010 beim 6. Wachtberger Männerballett Festival. Dort wurden sie Gesamtsieger und belegten darüber hinaus den zweiten Platz in der Kategorie „Karnevalistische Einlagen“. Der karnevalistische Aspekt ist den Männern bei all ihren Auftritten ganz besonders wichtig. „Unsere Kostüme und die Art zu Tanzen haben nichts frivoles oder unanständiges“, betont Willi Juchem.

Seit 12 Jahren trainiert sie die Männer und denkt sich immer neue Choreografien aus: Michaela Bartz
Seit 12 Jahren trainiert sie die Männer und denkt sich immer neue Choreografien aus: Michaela Bartz

Neben den Männern selbst achtet Trainerin Michaela Bartz auf das Niveau der Tanzshow. Seit 2005 denkt sie sich jährlich neue Choreografien aus, sucht nach passender Musik und hält die Akteure fit. Trainiert wird einmal pro Woche für 1,5 Stunden. „In der Zeit macht die Frau 10 bis 11 Männer platt“, lacht Juchem. Das Training sei nicht nur schweißtreibend, sondern auch was fürs Köpfchen, so die Trainerin: „Neben einer gewissen Grundfitness müssen die Tänzer Aufstellung, Schrittfolgen und Hebefiguren erlernen, ihre Arm- und Beinarbeit koordinieren, an ihrem Gang arbeiten und dabei noch ein freundliches Gesicht machen. “ Eine sportliche Herausforderung, die eine gute Portion Ehrgeiz und Biss verlangt, bei der aber trotz allem immer der Spaßfaktor überwiegt.

 

Das Besondere am Männerballett sei das Gemeinschaftsgefühl und der enorme Zusammenhalt der Männer untereinander, so Michaela Bartz, die seit ihrem dritten Lebensjahr tanzt und auch als Cheerleaderin viele Jahre lang aktiv war.  Als waschechte Rheinländerin weiß sie zudem auch um die traditionelle Rolle des Männerballetts im Karneval: „Denn ursprünglich war der Karneval ja eine reine Männerdomäne, in der die Frauenrollen ganz selbstverständlich von Männern übernommen wurden.“ Und das machen Bodo und die Ballermänner so gut, dass sie 2013 sogar in der „Lokalzeit Bonn“ zu sehen waren. Der WDR schickte ein Fernsehteam für eine Live-Übertragung des Trainings in die Sporthalle des Helmholtz-Gymnasiums nach Duisdorf. „So viel öffentliche Aufmerksamkeit zählt zweifelsohne zu einem unserer Highlights“ sagen Juchem und Lenz mit Stolz.

Männerballett - ein Hobby für echte Kerle

Eins ist auf jeden Fall mal sicher: ein Männerballett ist nichts für Angsthasen. Hebefiguren und Wurfelemente erfordern neben Konzentration und Mut, eine große Portion Vertrauen in die Kollegen und vor allem die richtige Technik erklärt Willi Juchem. Weitere Herausforderungen liegen im Ankleiden und Schminken. Udo Lenz erinnert sich noch genau an seinen ersten Auftritt. Wie mühsam das Überstreifen der Strumpfhose war, wie sehr der BH zwickte und an die unzähligen Versuche, die er benötigte, um die falschen Wimpern aufzukleben. „Ich hab eine halbe Ewigkeit gebraucht bis ich für den Auftritt parat war. Ja, die Frauen haben´s schon nicht leicht“, gibt er lachend zu. So werden zumindest in der fünften Jahreszeit aus unerschrockenen Männern echte Frauenversteher. Auch dazu muss Man(n) stehen.

 

Rund 25 bis 30 Auftritte absolviert die Truppe in einem Jahr, ein Drittel davon in der Karnevalszeit vom 11.11. bis Aschermittwoch. Ein ordentliches Pensum für die Hobbytänzer , deren Durchschnittalter bei immerhin 53 Jahren liegt. Sogar erste Termine für das Jahr 2018 seien bereits vergeben, so Willi Juchem.

 

Für die nächsten 20 Jahre wünscht sich Frontmann Juchem das Fortbestehen des Balletts mit karnevalistisch hohem Anspruch und weiteren jecken Mittänzern. Wer sich also nicht vor harten Trainingseinheiten, kurzen Röcken und falschen Wimpern fürchtet, ist in dieser munteren Truppe genau richtig und jederzeit als Verstärkung willkommen.

 

Trainingszeiten sind immer dienstags von 19.45 – 22 Uhr im Helmholzgymnasium Bonn.

Weitere Informationen zum Ballett und erste Kontaktaufnahme unter

www.bodo-und-die-ballermaenner.de

 

Und weil Fotos mehr als tausend Worte sagen, gibt es hier Bilder vom Auftritt beim Vereinsfest sowie vom Training.

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Braucht man so was überhaupt? - literarisches zum Bücherschrank

Literarisches zum Bücherschrank  von Stefan Birckmann
Literarisches zum Bücherschrank von Stefan Birckmann

Guten Tag, ich bin Stefan Birckmann, einer Ihrer Nachbarn, An den Eichen wohne ich und engagiere mich für den offenen Bücherschrank in Röttgen...

 

Wieso macht jemand so etwas?

 

Es gibt keine Bücherschränke im Kongo.

Es gibt auch keine Bücherschränke in Timbuktu, da sind nämlich schon alle Bücher verbrannt.

 

Als ich das erste Mal nach Bonn kam und Richtung Poppelsdorfer Schloß ging, sah ich einen schicken Eisenschrank mit Menschen davor.

Sie lasen Bücher.

Es dauerte Momente bis ich realisierte, was es mit dem schicken Schrank eigentlich auf sich hatte.

Es war ein offener Bücherschrank.

 

Wir können froh sein, dachte ich, Bücher zu haben. Bücher die wir teilen können und Bücher, die für uns eine Bedeutung haben. Nicht nur als Bürger der mit Bildung und Frieden in der Nachbarschaft lebt, nein, alle bedürfen des Wortes von Mensch zu Mensch.

Sei es gesprochen oder geschrieben.

 

Vom Kongo kommend, dann in Bonn gestrandet, besonders Röttgen, dachte ich, hier könnte man eigentlich einen weiteren Bücherschrank sehr gut gebrauchen.

 

Während der Recherche stieß ich auf ein Papier. Titel: Die Leute stellen keine Erstausgaben rein, hieß es.

 

Unter anderem stand darin, dass es mittlerweile über 800 Bücherschränke deutschlandweit gibt. Wow. Und 10 davon allein in Bonn.

 

Und auch welchen Konflikt manche Menschen mit dem Bücherschrank haben, stand nachzulesen. Sei es emotional oder geschäftlich.

 

Diverse Buchhändler kamen da im Artikel zu Wort. Ihr Spektrum zum Bücherschrank wurde beschrieben von „ist geschäftsschädigend“ bis „seit dem der Bücherschrank steht, kauft man wieder vermehrt bei mir“...

Und es wurde die Historie des Bücherschrankes beschrieben, wie es begann. Die Initialzündung, die erste Idee, wen wundert es, kam aus Amerika. Erstmalig in den 90er Jahren wo man Stromschaltkästen umfunktionierte, um der Öffentlichkeit Bücher in einer freien Bibliothek zur Verfügung zu stellen.

 

Die Idee wurde mitgenommen und 1996 stellte Michael Ibsen im Johannisviertel zu Darmstadt ein Regal vom Sperrmüll mit Büchern auf. Bis zum Jahr 2002 dauerte es, so stand zu lesen, bis die Bürgerstiftung Bonn einen Wettbewerb ausschrieb zur Verbesserung des gesellschaftlichen Lebens, den Trixy Royeck gewann.

 

Sei es wie es sei, DAS ist etwas wofür es sich lohnt klappern zu gehen, ging es mir durch den Kopf.

Ohne wirklich zu wissen worauf ich mich eigentlich einlasse.

Eine Reise beginnt mit dem ersten Schritt und dem Reiseziel im Blick. Also zuerst Kontakt mit der Bürgerstiftung. Mit dem Geschäftsführer der Stiftung, Herrn Jürgen Reske traf ich mich am 30.6. 2015 auf dem Schloßplatz zu Röttgen.

 

Es war ein freundliches positives Gespräch und ein guter Geist, der das „Unternehmen offener Bücherschrank“ auf meinem Weg nie verlassen sollte. Nach allerlei Informationen, wirklich guten Ratschlägen und Freundlichkeiten, war klar: Kohle muss her!

 

Aber zu allererst, die Besitzrechte des Standortes klären.

 

Man war sehr hilfreich von Seiten des Katasteramtes und es wurde Auskunft gegeben über die Gemarkung des Standortes.

 

Das Weitere, ist frei nach Goethe: 1 Prozent Inspiration, 99 Prozent Transpiration.

 

Guten Tag, ich bin Stefan Birckmann, einer Ihrer Nachbarn, An den Eichen wohne ich und engagiere mich für den offenen Bücherschrank in Röttgen...

 

Tür zu Tür. 1:1.

 

Willst du den Menschen begegnen, musst du ein Wort an sie richten.

Willst du die Menschen mit denen du lebst kennenlernen?

Dann muss man in Aktion treten.

 

Auch eine Intension des Schrankes. In Aktion treten.

 

Guten Tag, ich bin einer Ihrer Nachbarn, An den Eichen wohne ich und engagiere mich für den offenen Bücherschrank in Röttgen...

 

Jeder Mann und jede Frau, die unvermittelt mir die Tür öffneten bekamen klappernd die Spendenbüchse vorgehalten.

 

Das erste, was auffällig war, war, das Vertrauen der direkten Nachbarn und auch der anderen Anwohner Röttgens. Das ich sehr zu schätzen lernte.

Auch die offen gezeigte Freude darüber, dass jemand loszieht und etwas macht.

 

Es war immer Zeit für ein Gespräch. Auch wenn nicht immer Bücherfans die Tür öffneten.

So wurde ich zum Tee eingeladen oder freundlich bedacht mit, manchmal sehr großzügiger Spende.

Ich, Fremder.

 

Der Gang für den Bücherschrank hat Kraft gegeben, auch die Idee, die ja im Grunde einfach ist, so rüber zu bringen, dass es auch die Idee der Angesprochenen wurde.

 

Ein Satz aus Röttgen, wird mir allerdings immer haften bleiben:

„Ach, ich/wir haben noch so viele Bücher im Keller stehen, die können sie alle gleich mitnehmen.“

„Die sind einfach zu schade zum Wegschmeißen“, war dann der Nachsatz.

 

„Aha“, sagte ich, „dann könnten Sie ja den Bücherschrank mit tollen Büchern ausstatten“.

 

Und so ging es weiter von Tür zu Tür.

 

Guten Tag, ich bin einer Ihrer Nachbarn, An den Eichen wohne ich und engagiere mich für den offenen Bücherschrank in Röttgen...

 

Es war wohl mein „scheinbarer Wert“, face value, dass die Menschen sagten: „Ich gebe 2 Euro, 5 Euro oder hier haben sie 10.“ Höhere Spenden, wie erwähnt, gab es noch von anderen Wohlmeinenden.

 

Man gab dem Mann an der Tür, Geld in bestem Vertrauen. Es war eine ganz besondere Erfahrung.

 

Ein Buch. Nur Einzelne sprachen über diesen Wert.

Liegt es daran, dass vielleicht vieles nur noch mit Popcorn zu genießen ist? Entspannungsliteratur für den Urlaub? Bestseller über Mord und Totschlag, Finsternis der

Seele und Abgründe in der Familie?

 

Was macht die Magie eines Buches überhaupt?

Was macht das gedruckte Wort so faszinierend, dass Menschen sogar beginnen die geschriebenen Worte zu sammeln?

 

Ich schreibe selbst. Es ist mir ein tiefes inneres Bedürfnis mich auszudrücken, nicht unbedingt mich zu erklären, doch zu sagen was in Kopf und Leben so vorgeht. Es mag nicht für jeden wirklich interessant sein, darum geht es auch nicht.

 

Auch um Missverständnisse auszuräumen, es gibt wunderbare Popcorn-Literatur und manchmal bin ich neidisch was einem Kollegen oder Kollegin da so alles aus dem Handgelenk floss.

 

Nein.

Ein Buch ist auch Freund, man ist traurig wenn das letzte Wort gelesen und man Teilhabe an einer Geschichte hatte, einer Dokumentation oder der Fantasie eines Menschen.

Ein Buch kann Trost geben, ist bewegend und erhellend oder schlicht weg großartig.

 

Bücher sind ein Gewinn, etwas, das die Welt schon immer bewegt hat, seitdem es Bücher gibt.

Sei es der Gilgamesch Epos vor 4000 Jahren oder Arthur C. Clarkes 2001 – Eine Odyssee im Weltraum.

Bücher inspirieren, können Schönheit im Leben aufzeigen und neue Gedanken hervorbringen. Fortschritt bedeuten.

 

Ein Bücherschrank ist daher mehr als nur ein Ding mit Altpapier darin und der Frage: Was soll das?

 

Ein Bücherschrank ist die Möglichkeit sich im öffentlichen Raum zu begegnen und auszutauschen, Gespräche zu führen. Andere zu befruchten.

 

Es kostet niemanden etwas wirklich, außer einem gebrauchten Buch von dem man glaubt, es wäre interessant, dass andere es auch mal lesen sollten.

 

Dann denke ich wieder an den Artikel, den ich zur Vorbereitung las.

„Die Leute stellen keine Erstausgaben rein“,

 

Müssen die Leute auch gar nicht, ist mein Gedanke dazu. Es gibt so viel Ungelesenes noch zu entdecken, fangen wir doch erst einmal damit wieder an.

 

Und dass Menschen für oder gegen einen Bücherschrank sind, war ja auch noch vernehmlich.

 

Dazu denke ich wie großartig es doch ist, überhaupt ein Angebot zu haben und die Wahl.

 

Wie gut wir es doch haben, dass wir uns entweder sträuben können wie kleine Kinder, die sich nicht anziehen lassen wollen oder etwas geschehen zu lassen, dass uns alle etwas angeht und gemeinsam weiterbringt. Wie eben ein weiterer offener Bücherschrank.

 

Am Ende sei der Bürgerstiftung Bonn, gedankt für die Ermöglichung des Projektes, auch hier besonders dem Vorstandsvorsitzenden Herrn Werner Ballhausen und dem Geschäftsführer der Stiftung, Herrn Jürgen Reske, für dessen immerwährende Unterstützung und Begleitung.

 

Mein persönlicher abschließender besonderer Dank geht an Jana, Lena, Leon und Kim Gerdes, für ihren großzügigen Beitrag in allen Lebenslagen.

Danke Euch und allen, die gegeben haben, egal in welcher Höhe.

 

Bücher sind vielleicht „old fashioned“ aber vielleicht noch mehr „old fashioned“ sind Bücher mit Gedichten und so erlaube ich mir Ihnen zum Abschluss zwei Gedichte vorzutragen.

 

„Mystery Train“ und „Die Liebe besiegt alles“ - © 2016 Stefan Birckmann.

 

 

Mystery Train

 

Von  Quetta gekommen

Brennt in der steinigen Weite Balochistans Auf eingleisiger Spur ein  Zug

Wie der da so steht 16 Waggons lang

Steigt dunkel Rauch  himmelhoch

Der Zugführer hat angehalten, springt aus der Lok Warnt die Passagiere

Koppelt das Brennende  ab

Die Reisenden rennen Retten sich

Der Held läuft atemlos zum  Führerhaus

Der Zug rollt ächzend  an

Fährt südwärts mit noch drei  Waggons

Lässt die lodernden Wagenskelette hinter   sich

Die Menschen sind in Sicherheit Dank

„Casey“ Jones

In der Ödnis Flammen speiend Verbrennt der Rest

 


Die Liebe besiegt alles

 Die Liebe weiß nichts von der Liebe Die Liebe ist rein

 

Nicht personell

 

Die Liebe ist die Unschuld Die Liebe selbst zu sein

 

Die Liebe gibt Die Liebe nimmt Ohne Bedingung

 

Die Liebe ist aufrichtig Nie falsch

 

Die Liebe kämpft nicht Die Liebe tötet nicht

 

Die Liebe verliert sich nicht

 

Die Liebe ist nie unerfüllt Nie hoffnungslos

 

Nie unerwidert

 

Die Liebe ist nicht mittelmäßig Die Liebe ist nicht bitter

 

Ist nicht hässlich Nicht feige

 

Die Liebe verspricht nicht Die Liebe ist nicht töricht

 

Die Liebe ist verzeihen Die Liebe ist sanft

 

Die Liebe ist stark

 

Die Liebe ist ohne Kompromiss Ist großzügig

 

Geduldig Verstehend

 

Langmütig

 

Die Liebe gehört niemandem Die Liebe ist frei

 

Die Liebe ist zeitlos Hört nicht auf zu sein

 

Die Liebe ist Sieger

(Text Stefan Birckmann)

 

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Kein Zacheies ohne Paul Imhoff

Paul und Agnes Imhoff präsentieren den "schönsten Mann Röttgens".
Paul und Agnes Imhoff präsentieren den "schönsten Mann Röttgens".

Kirmes im Rheinland steht für „Spaß an der Freud“! Während die Kinder auf den Karussells vor Vergnügen quietschen und sich an den Buden über ihre Gewinne freuen, schwingen die Großen im Festzelt das Tanzbein und amüsieren sich bei Kölsch, Rievkoche und Sauerbraten oder beim Klaaf mit Nachbarn und Freunden. Nur einem steht am Ende einer jeden Kirmes ein tragisches Schicksal bevor: dem Zacheies, Nubbel oder Paias, wie der Kirmesmann auch genannt wird. Ihm werden jedes Jahr aufs Neue die Sünden eines ganzen Dorfes aufgebürdet, für die er – wie es die Tradition verlangt- nach einem ordnungsgemäßen Prozess brennen muss. Das kurze Leben des Zacheies wirft unweigerlich die Frage nach seiner jährlichen Reinkarnation auf und führt auf direktem Weg zu Paul Imhoff.

 

Imhoff ist der „Vater“ der Röttgener Lumpenmänner. Seit sage und schreibe 35 Jahren sorgt er Jahr für Jahr für Nachschub. Die Kunst des Puppenmachens habe er sich selbst angeeignet, sagt der heute 80- Jährige. Nachdem sich Röttgens Junggesellenverein, der bis dahin für die Figur des Zacheies verantwortlich war, aufgelöst hatte, drohte die erste Kirmes ohne Strohpuppe. Undenkbar! –fand auch Imhoff. „Das wäre doch gelacht gewesen, wenn wir keinen Zacheies für die Kirmes zustande gebracht hätte“, erzählt er. Imhoff fackelte nicht lange und fertigte 1981 seinen ersten Lumpenmann. Seither ist er quasi Röttgens „amtlicher Kirmesmann-Designer“.

 

In diesem Jahr hatte Imhoff nur wenig Arbeit mit dem Zacheies. Denn –wir erinnern uns- der letzte Zacheies wurde in einem Sensationsprozess erstmalig freigesprochen und an seiner Statt der Lengsdorfer Kirmesmann für alle Vergehen dem Feuer übergeben. „Unser Zacheies hat in dem Jahr ein wenig an Spannkraft verloren, so musste ich ihn nur ein wenig mit Stroh aufpolstern. Ansonsten ist der Mann noch tipptopp in Schuss“, beteuert Imhoff.

 

In den letzten zwei Jahren erschuf Imhoff gemeinsam mit Dieter Schirra den schönsten Mann Röttgens. Zu zweit dauere es etwa zwei bis drei Stunden, um die lebensgroße Strohpuppe anzufertigen, die aus einem Holzkreuz sowie einem mit Stroh ausgestopften Maleranzug besteht, der alljährlich von Sybille Hecker gespendet wird, und zuletzt mit Hemd, schwarzem Anzug und buntem Schlips und festem Schuhwerk eingekleidet wird. Am kniffligsten sei die Gestaltung der Hände: „Da sitze ich auch schon mal mit Sacknadel und Faden, zurre alles ordentlich zusammen und nähe sie an die Ärmel an“, erzählt er. Und wie lange dauert es den Zachjeies alleine anzufertigen? „Na ja, so drei Wochen, je nach Lust und Laune“, antwortet Imhoff, „Aber eine Woche vor der Kirmes ist er fertig – immer!“

 

Nun ja, nach weit über 30 Jahren kennt der Rentner jeden Tick und jeden Kniff, den dieses Handwerk erfordert. Allerdings sucht er nach dem unerwarteten Tod Dieter Schirras erneut händeringend einen Lehrling, dem er sein Wissen weitergeben kann, sachlich fügt er hinzu: „Wer weiß wie lange ich das noch machen kann“.

 

Röttgens Kirmesmann - das Toppmodell unter allen Zacheiesen

Zurück zum Kirmesmann aus 2015. Was viele nicht wissen: Dieser Zacheies ist ein neuer Prototyp. Der Mann hat nämlich nicht wie all seine Vorgänger Stroh im melonenförmigen Kopf. Nein, mit seinem wohlgeformten Kunststoffkopf und den feinen Gesichtszügen ist er definitiv das Supermodel unter den Kirmesmännern in der gesamten Region. „Der Kopf stammt von einer Schaufensterpuppe“, erzählt Imhoff. Die Idee dazu hatte „Puppenmacher-Geselle“ Dieter Schirra, der ihn –woher auch immer -organisiert habe. Das Gesicht erhält der Zacheies schon seit Jahr und Tag von Hans-Josef Fabritius. „Er ist der Künstler unter uns und deshalb für das Aufmalen des Gesichtes verantwortlich“, so Imhoff. Und auch Imhoffs Frau, Agnes, legt hier und da Hand beim Bau der Puppe an. Sitzen Schlips oder Kappe schief, zupft und ruckt sie so lange daran herum, bis alles perfekt sitzt und der Mann der Öffentlichkeit präsentiert werden kann. Das freut natürlich die jeweils amtierende Maikönigin, die den Eröffnungstanz zu Beginn der Kirmes traditionsgemäß mit dem Zacheies absolviert. Wer tanzt schon gern mit einem unordentlichen Lumpenmann? Meist steckt der Röttgener Zacheies in einem schicken schwarzen Anzug mit Schlips und Kragen. „Einmal aber war er auch mit einem funkelnagelneuen Trachtenanzug und einem Tiroler-Hut auf dem Kopf bekleidet“, plaudert der Rentner, „Es hat mir in der Seele weh getan, als der verbrannt

wurde.“ Die Klamotten stammen von Freunden, Nachbarn und Verwandten. Früher auch aus Imhoffs eigenem Kleiderschrank. Auch mit seinen 80 Jahren ist Paul Imhoff noch ein großer, stattlicher Mann. Mit zunehmendem Alter wünschten sich die Maiköniginnen jedoch einen leichteren und handlicheren Tanzpartner. Kleinere Konfektionsgrößen mussten her; seitdem bleibt Imhoff auf seinen alten Anzügen sitzen.

 

Eine Schicksalsgemeinschaft

Aber auch sonst ist das Schicksal des Zacheies eng mit seinem eigenen verknüpft. Natürlich hält Imhoff während der Kirmestage ein wachsames Auge auf seine Schöpfung. Die Entführer lauern schließlich hinter jedem Stein und jeder Hecke. Vor allem in seinen jungen Jahren habe er großen Ehrgeiz in das diebstahlsichere Aufhängen und die Bewachung des Zacheies

gesteckt. „Da habe ich mich immer schrecklich aufgeregt, wenn der Kerl dann doch wieder geklaut worden war.“ Zwei Diebstähle sind ihm als besonders ärgerlich im Gedächtnis geblieben: „Stellen Sie sich vor“, sagt er, und die Entrüstung ist ihm noch heute –nach so vielen Jahren- deutlich anzumerken, „stellen Sie sich vor, da hat doch mein EIGENER Sohn den Zacheies geklaut!“ Und als ob das nicht schon schmählich genug gewesen wäre, hat er den Kirmesmann obendrein noch unter Paul Imhoffs eigenem Bett versteckt! Während Imhoff sich Nacht für Nacht den Kopf darüber zermarterte, wer der Dieb sein könnte und wohin dieser den Lumpenmann entführt haben mochte, hatten alle andern im Dorf ihren Spaß. „Denn, von den Mitgliedern der freiwilligen Feuerwehr, des Festausschusses bis hin zu Nachbarn und Freunden waren nun wirklich alle im Ort eingeweiht, außer mir“, erzählt er lachend.

 

Das kratzt natürlich an der Ehre! So tüftelte Imhoff einen todsicheren Plan für die nächste Kirmes aus. Das rote Backsteinhaus vor dem ehemaligen katholischen Kindergarten schien ihm absolut diebstahlsicher. „Die Lage war perfekt. Das Haus stand genau am Festzelt. Einen belebteren, besser einsehbaren Platz konnte es einfach nicht geben.“ Mehr noch, über eine lange Leiter erklomm Imhoff den zweiten Stock, trieb einen dicken Nagel ins Mauerwerk und hängte den Zacheies weithin sichtbar auf. Siegessicher aber dennoch äußerst achtsam amüsiert er sich nach getaner Arbeit mit Nachbarn und Freunden auf der Kirmes, um dann in einem kurzen Moment der Ablenkung doch nicht mitzukriegen, wie sich die Entführer (unter denen sich auch ehrenwerte Mitglieder der hiesigen freiwilligen Feuerwehr befanden!) klammheimlich der Rückseite des Hauses näherten, von dort auf das Dach kletterten und den Zacheies mit einer langen Stange vom Haken fischten.

 

Was bleibt ist die Erkenntnis, dass ganz gleich, wie ausgeklügelt ein Plan auch ist, es stets einen noch perfideren gibt, der den Kirmesmann seinem unausweichlichen Schicksal zuführt. Jedes Jahr von neuem wird er entführt, gegen eine Lösegeldforderung meist in Form mehrerer Kisten Bier eingelöst, verurteilt und verbrannt. Dennoch vor Überraschungen ist man auch hier nicht sicher, wie der Prozess im letzten Jahr gezeigt hat. Man darf also gespannt sein, was dem schönsten Mann Röttgens in diesem Jahr blühen mag!

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Noch ein Gedicht: "Zwische de Johre"

 

Et Zimmer rüch noh Tannejrön,

 de Kääze sin verbrannt.

 Om Sofa sitz de ahle Möhn

 Me‘m Streckstrump in d‘r Hand.

 

Drei Kugele am Baum kapott.

 D‘r Ühm verqualmp de Luff.

 De Mam säht:“ Dun ding Pief ens fott!

 Uns schöne Chressdachsstuff!“

 

 Däm Köbesje sing Schöckelpäd

 Es ald jet invalid.

 Et Lies, et Föttche an d‘r Ääd,

 lötsch jrad am Finsterkitt.

 

 Däm Schokolade-Zinter-Klos

 Fählt ald d‘r halve Kopp,

 un unsre Schäng sich, us ner Blos,

 höösch voll mit Printe stopp.

 

 Dä Pap loort en d‘r Äujelkess

 Dat Springe vun d‘r Schanz‘

 Un merk nit, dat dä kleine Chreß

 Sing Uhr „määt widder janz“.

 

 Et Drüggche singk: „Oh Tannenbaum!“

 Un schnigg janz lus un brav,

 vum Plattühm singem Mantelsaum

 e Stöck för‘t Kreppche av.

  

Et Liesje läuf me‘m Kammerpott

 Quer durch de lieserbahn.

 Dä Schäng bälk los: „Jank fott, do Krott!“

 Un fängk ze bauze an.

 

 

Dä Vatter floch: „No sid jitz stell!

 Söns jitt et hück noch Klöpp!

 Wann ich de Sportschau loore well…!“

 Jitz bellt och noch d´r Möpp.

 

Em Nervehus spillt wä Klaveer –

 E herrlich Stöck en Moll.

 De Mam söck wöödig jet Papeer.

 Däm Lies sing Botz is voll.

  

„Potz Zappermoot!“, dä Vatter säht

 Un jitt däm Chreß en Fimm.

 „Wat dä us mingem Ührche määt!?“

 Vum Kirchturm schleiht et „Bim“!

 

 Dä Ühm klopp flöck sing Pief jitz us

 Un röf: “Maach voran Möhn!

 Et es baal Aach, mer jon noh Hus,

 he is et nit mih schön!“

 

Dä Hungk hüült op, et Liesche krieht,

 dä Vatter bläut dat Klein.

 „Verflix noch ens un zojenieht!

 Ding Woll hängk öm ming Bein!“,

  

schängk jitz dä Ühm. Dann fällt hä hatt

 un sitz d’r Längde lang,

 met singer Fott dä Bahnhof platt

 un och dä Schinnestrang.

 

Jitz es de Chreßdachsrauh vorbei.

 De Mam kritt jriese Hoor,

 wie vun d’r Stang dä Papajei

 noch japsch: „Jo Pross Neujahr!“

 (Ott Valberg)

 


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Feiertagserfahrungen von und mit Hans Dieter Hüsch

 

Feiertage


Mutter ist nervös
Vater ist nervös
Kind ist nervös
Oma ist nervös

Oma ist gekommen
um Mutter zu helfen
Vater hat gesagt 
sei nicht nötig gewesen

Kind steht im Weg
Mutter steht im Weg
Oma steht im Weg
Vater steht im Weg

Alle ham geschafft
mit allerletzter Kraft

Vater hat gebadet
Mutter hat gebadet
Kind hat gebadet
Oma hat gebadet

Alle ham gepackt
Und alle sind gerannt
Und schließlich hat
Der Baum gebrannt

Mutter ist gerührt
Vater ist gerührt
Kind ist gerührt
Oma ist gerührt

Und dann werden
Die Pakete aufgeschnürt

Mutter ist gekränkt
Vater ist gekränkt
Kind ist gekränkt
Oma ist gekränkt

Denn jeder hat dem anderen
Was Falsches geschenkt

Schwiegertochter kommt
Patentante kommt
Lieblingsbruder kommt
Großneffe kommt

Kuchen ist zu süß
Plätzchen sind zu süß
Marzipan ist zu süß
Und der Baum ist mies

Mutter ist beleidigt
Vater ist beleidigt
Kind ist beleidigt
Oma ist beleidigt

Friede auf Erden
Und den Menschen ein Unbehagen

Vater hats am Magen
Mutter hats am Magen
Kind hats am Magen
Oma hats am Magen

Kann nichts mehr vertragen
Nach all diesen Tagen

Mutter ist allein
Vater ist allein
Kind ist allein
Oma ist allein
Alle sind allein

Doch an Ostern
Wollen alle
In jedem Falle
Wieder zusammensein.

 

( Hanns Dieter Hüsch )

 

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Geschichte einer Weihnachtspyramide

Es war einmal eine Weihnachtspyramide – nein, keine herkömmliche  aus dem Erzge-birge. Die Weihnachtspyramide, von der hier die Rede sein soll, stammt aus dem schönen Röttgen bei Bonn. Sie ist auch keine von jenen kleinen Pyramiden, wie sie auf heimischen Fensterbänken oder in etwas größerer Form als weihnachtliche Dekoration in Wohnzimmern vorkommen. Diese hier war mal eine richtige Dorfpyramide - stattliche 1,70 Meter hoch mit Lichtern, die in der Dunkelheit leuchteten. Jedermann (und natürlich jede Frau) –vor allem aber die Kinder- bestaunten und bewunderten sie, wenn sie in der Adventszeit ihren angestammten Platz einnahm. Dann wusste auch der Letzte , dass das Weihnachtsfest nicht mehr allzu fern war. Eines Tages jedoch erschien sie nicht mehr wie gewohnt am ersten Advent, niemand hatte sie gesehen und sie bleib verschollen…….Aber halt, eins nach dem anderen.

 

Eine rheinische Weihnachtspyramide entsteht

Erschaffen wurde unsere Weihnachtspyramide in der Heidegartenstraße. In vielen geduldigen Arbeitsschritten erwuchs sie nach und nach den geschickten Händen ihres Erbauers Peter Schumacher. Der hatte ein Faible für die Weihnachtspyramiden aus dem Erzgebirge: die fein geschnitzten Figuren, das stimmungsvolle, warme Licht, in deren Schein die beruhigende Drehbewegung der Flügelräder einem die schönsten Schattentänze an die Hauswand zaubert. Und so machte sich der Röttgener Hobbybastler daran, ein kleines Kunstwerk für sich und seine Familie zu bauen – eine Freilandpyramide als vorweihnacht-liches Schmuckstück für seinen Garten.

 

Zuerst zimmerte er ein stabiles Podest, auf dem ein dreistöckiges, sich nach oben verjüngendes Holzgestell emporragte. In stunden- ja wochenlanger Arbeit drechselte er ein robustes Gestell, das auch von einem ungestümen Winter mit Eis und Schnee nicht klein zu kriegen ist. Liebevoll verzierte der Heimwerker das Gestell mit unzähligen fein geschnitzten Rosenblüten und versah die Seitenteile einer jeden Etage mit sorgsam gefrästen Bordüren. Die Etagen seiner Pyramide sind Herberge für eine Krippe mit einem Hirten, der seine Schafe hütet und eines von ihnen auf seinen Armen trägt, die heiligen drei Könige, Maria, Joseph und das Kind, selbst Kuh und Esel hat Schumacher bei seinen Schnitzereien nicht vergessen. An oberster Stelle, gleich unter dem Flügelrad – im Himmel quasi (denn da gehören sie ja auch hin)- kreisen einige barocke (angezogene!) Engelchen. Ein Motor, im Podest der Pyramide versteckt, treibt die gesamte Konstruktion an und lässt zudem einige der schönsten Weihnachtslieder  erklingen.

 

Tradition mit tiefen Wurzeln

So reiht sich die Pyramide von Peter Schumacher ein in eine Tradition, deren Anfänge bereits im Mittelalter zu finden sind. Damals ging es darum, mit dem Buschbaum (das sind aufgehängte grüne Zweige) das Unheil der dunklen Zeit abzuwenden. Anderenorts versuchte man dies mit Hilfe der Kraft des Lichtes. Die Weihnachtspyramide vereint beide Bräuche und wurde so zum Symbol für die Weihnachtszeit. Im 18. Jahrhundert wurden die "Lichtergestelle" mit grünen Zweigen umwunden und bildeten die Urform der Peremett*.

 

Sang und klanglos ausrangiert

Viele Jahre fuhren Kaspar, Melchior und Balthasar gemeinsam mit den anderen Geschöpfen der Pyramide in Peter Schumachers Garten Karussell. Nach dessen Tod ging die Weihnachtspyramide in den Besitz der katholischen Kirche Christi Auferstehung über. Im Innenhof vor der Kirche erfreute sie zwei weitere Jahre zur Adventszeit die Kirchgänger mit ihrem Lichterglanz, der Musik und den bunten Figuren. Doch plötzlich geschah das Unerwartete: die Pyramide mitsamt ihrer Flügelräder drehte sich nicht mehr und auch die Musik blieb stumm. Schuld war ein Defekt des Motors und die Pyramide wurde von ihrem angestammten Platz in einen dunklen Keller verbannt. Unbeachtet harrte sie   hier mehrere Jahre lang aus, setzte Staub an und mehr und mehr Spinnweben breiteten sich zwischen Schafen und Jesuskind aus, bis sich Maren Taubert, eine Cousine von Erbauer Peter Schumacher, an das gute Stück erinnerte.

 

Ehepaar Taubert erweckte die Röttgener Weihnachtspyramide zu neuem Leben
Ehepaar Taubert erweckte die Röttgener Weihnachtspyramide zu neuem Leben

Wie Phoenix aus der Asche

„Die kannste han, die is kapott“, so die rheinisch-pragmatische Antwort auf ihre Nachfrage zum Verbleib der Weihnachts-pyramide. Nur allzu gern errettete Maren Taubert die vergessene Peremett aus ihrem Dornröschenschlaf, nahm sie mit nach Hause, wischte ihr den Staub aus den Ritzen und besserte kleine Mängel aus. Ihr Mann reparierte den Motor und hauchte dem Röttgener Unikat neues Leben ein. Seither erstrahlt und dreht sie sich jedes Jahr zur Adventszeit gut sichtbar im Vorgarten von Familie Taubert. Weil den Tauberts das Kunstwerk so gut gefiel und die Weihnachtspyramiden traditionsgemäß ein Symbol weihnachtlicher Vorfreude sind, beschlossen sie ihre Nachbarn und Freunde am ersten Adventswochenende zu einer großen Einweihungsparty einzuladen - mit viel Tam Tam, Glühwein, Gebäck, herzhaften Snacks und allem, was sonst noch dazu gehört. Vor vier Jahren war das. Seither versammelt sich die Gruppe alljährlich am ersten Advent um die 20 Jahre alte Pyramide herum. Dann singen sie Weihnachtslieder und freuen sich auf den Nikolaus**, der bei einem solchen Ereignis natürlich nicht fehlen darf.

 

Jeder Weihnachtspyramide wohnt die frohe Botschaft inne

Für Maren Taubert, ihre Nachbarn und Freunde ist dieses Fest jedoch mehr als eine willkommene Party. „Maren ist die beste Nachbarin, die man sich nur vorstellen kann“, sagt nicht nur eine der Nachbarinnen. „Wir alle achten aufeinander und respektieren unsere unterschiedliche Lebensart.“ Mit dem Pyramidenfest feiern sie ihre Gemeinschaft und das friedliche Miteinander, sagen sie –ein wunderbarer Brauch, mit dem  die Weihnachts-botschaft im echten Leben angekommen ist. Da sind  auch die traditionellen Weihnachts-pyramiden als Symbol  gemeinsam empfundener Freude am rechten Platz – seien sie nun aus dem Erzgebirge oder aus Röttgen.

 

*so werden die Pyramiden im Erzgebirge liebevoll genannt

**in dessen rotem Mantel und unter dem weißen Rauschebart verbirgt

sich Maren Tauberts Vater Franz Schmitz

 

Fotos von der Weihnachtspyramide und der Adventsfeier hier

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Durch Ort und Zeit unterwegs auf der Reichsstraße - Teil II

Weiter geht´s mit Renate Schmitz, die uns über die Reichsstraße durch den Röttgen und Zeit führt und dabei aus dem Nähkästchen plaudert. Mit Reiseleiterin Schmitz sind wir beim letzten Mal bis zur Ortsmitte gekommen. Hinter dem ehemaligen Pastoratshaus setzten wir unsere Tour in Richtung Ortsausgang nach Meckenheim fort.

Nächster Halt ist

 

Der Gemischtwarenhandel Schüren


Aus welcher Zeit diese Postkarte stammt war auf der Karte leider nicht mehr lesbar. Renate Schmitz schätzt aber, dass dieses Foto aus den 50er oder 60er Jahren stammt.

Rechts neben dem heutigen Friseursalon mit der orangenen Markise, konnten die Röttgener in ihrem „Kaufhaus“, dem Gemischtwarenladen Schüren, alles für den täglichen Bedarf einkaufen – vom Schnür-senkel über Waschpulver bis hin zum Brot. Ein beliebter Laden, der es sogar zum Postkartenmotiv geschafft hat.

 


Ein  typisch Rheinischer Vierseithof: Der Kaushof

Ihn gab es bis 1975: Den Kaushof. Die Aufnahme oben ist aus dem Jahr 1958!

Der Kaushof war ein klassischer Vierseithof, wie sie im Rheinland häufig gebaut wurden. Wie der Name schon sagt, handelt es sich hierbei um eine Gebäudeform, bei der der landwirt-schaftliche Hof von allen vier Seiten von Gebäuden umschlossen ist. Der Hof wurde in den 70er Jahren bis auf die Grundmauern abgerissen. Heute befindet sich an der Stelle der Edeka. Ein kleines Relikt aus alten Tagen ist die Streuobstwiese hinter dem Edeka. Sie wird von

der Witterschlicker Allee und der Hubertus Allee umrahmt und gehörte einst zum Grund-besitz des Kaushofes, bevor sie in städtische Hand überging und der ehemalige Obst- und Gemüsegarten zur heutigen Dorfwiese wurde. 

Hier eine der letzten Auf-nahmen des Hofes. Zu sehen ist die Fronseite an der Reichs-straße. Das Foto stammt aus dem Jahr 1970.


Auch heute stehen an diesem Ort Lebensmittel im Mittelpunkt. Zwar werden sie hier nicht mehr produziert aber immerhin noch verkauft.

 

Einige Streuobstbäume sind geblieben, zwischen ihnen spielen Röttgener Kinder hin und wieder  Fußball.


Vis  à  vis des Kaushofes

Ein Foto mit Symbolcharakter:   die Lebensbedingungen in Röttgen vor 70 bis 80 Jahren .

 

Ein altes, dunkles Backsteinhaus (li.) stand vor vielen Jahren dort, wo sich heute dieses moderne und freundliche Gebäude an der Reichsstraße befindet. Anders als heute war das ursprüngliche Röttgen ein Ort, in dem einfache Menschen in bescheidenen Verhältnissen arbeiteten und lebten. Ob die beiden Frauen links jemals geglaubt hätten, dass auf den Trümmern ihres Hauses einmal ein Gebäude mit einem Kosmetikinstitut im Erdgeschoß errichtet würde?


Hoch die Tassen!  Im Gasthof Zur Herzogsfreude war immer was los

Klar, wie sollte es anders sein. Der Name des Gasthauses verrät Ortskundigen sogleich seine Lage: Mitten in Röttgen, dort, wo zu Clemens Augusts Zeiten Schloss Herzogsfreude stand, bot das Gasthaus „Zur Herzogsfreude“ noch bis in die 80er Jahre eine Einkehrmöglichkeit. Gleichzeitig diente es als Vereinslokal für zwei Fußballvereine hier in Röttgen: dem RWR und dem DJK. Und weit mehr als das, hier gab es sogar ein Kino. Jeden Mittwoch war Kinotag! Naja, also jetzt nicht so wie man sich ein Kino üblicherweise vorstellt, mit aufsteigenden Sitzreihen, gepolsterten Sesseln und großer Leinwand. Aber immerhin gab es einen Raum mit harten Holzstühlen (auf denen, laut Renate Schmitz, der Abend auch schon mal lang

werden konnte) und einem Projektor, der die Blog Buster der damaligen Zeit an die weiße Wand warf. Hans Albers, Trude Herr, Freddie Quinn und Heinz Rühmann sind nur einige, die hier ein und ausgingen – zumindest auf Zelluloid.

„Der Eintritt kostete eine D-Mark. Und im Winter, wenn es kalt war zusätzlich ein Brikett zum Heizen.“, erinnert sich Frau Schmitz bei unserem Spaziergang über die Reichsstraße.

Immerhin, mit Kohle wird an gleicher Stelle heute auch noch gehandelt, denn, wo früher der Gasthof „Zur Herzogsfreude“ zu finden war, residiert jetzt ...

 

         ... die Sparkasse KölnBonn

Blickt man von der Spar-kasse aus auf die andere Straßenseite und ca. 50 Jahre in der Zeit zurück, stellt man fest, dass Hunde hier noch alle Freiheiten beim Gassi gehen genießen konnten. Anstelle der Streu-obstwiese ist schon vor Jahren ein Mehrfamilien-haus-Komplex gerückt.



Die Schneiderei in Röttgen

Nur ein paar Meter weiter gelangt man zu diesem Haus. Hier wird selbst Renate Schmitz etwas spekulativ: „Also, ich weiß es nicht, aber man munkelt, dass dieses Haus mal ein Gefängnis gewesen ist. Ich selbst kann mich jedenfalls nicht daran erinnern“, sagt sie mit erhobenen Händen. Nun ja,

vielleicht weiß es ja jemand anderes? Wenn Sie´s genau wissen, nutzen Sie doch

das Kontaktformular und schreiben mir, vielleicht haben Sie ja auch noch ein Beweisfoto? Hier jedenfalls gibt es keins.

 

Die Bäckerei Gilgens

 Leider gibt auch hier kein Foto aus ver-gangenen Zeiten, aber genau hier beim Gilgens war der Verladeplatz der beiden Röttgener Tongruben. Hier wurde das Material, das die Loren aus den Gruben

heranschafften verladen und über ein weiteres Schienennetz die Flerzheimer

Allee entlang durch den Wald bis zum Bahnhof Kottenforst transportiert.

 

Von der alten Schmiede zum neuzeitlichen Ärztehaus

Es steht noch nicht allzu lange in Röttgen - das Ärztehaus. Eine auffällige Erscheinung: Modern, lichtdurchflutet und groß. Und früher?

1938 wurde hier eine Schmiede betrieben. Ochsen und Pferde wurden beschlagen, Pflug-schare geschärft und sonstige Schmiedearbeiten ausgeführt. Später verschwand die Schmiede zugunsten einer Tankstelle, die wiederrum machte um das Jahr 2010/11  Platz

für den Bau des Ärztehauses, das im Jahr 2013 fertiggestellt wurde. Dennoch, ganz weg ist die Schmiede von anno dazumal nicht. Neben dem Ärztehaus, von der Straße aus etwas nach hinten eingerückt existiert die alte Schmiede in Form einer modernen Kfz-Werkstatt weiter. Affinitäten dahin gehend zeichneten sich bereits in den 50er Jahren ab. Damals erlaubte der Schmied den Mitgliedern des Röttgener Motorradclubs, ihre Maschinen in der Schmiede zu tunen. Die 10 bis 15 Schrauber waren auch voll bei der Sache und trimmten ihre NSU, DKW oder die Zündapp auf Höchstform, bevor sie ihre Rennen durch Röttgen und Ückesdorf starteten. „Ja, da war was los im Dorf“, erzählt Renate Schmitz mit großen Augen. „Gestartet wurde Auf dem Kirchweg dann raus in Richtung Reichsstraße bis nach Ückesdorf von dort knatterten die Fahrer mit ihren Maschinen, mit und ohne Beiwagen, über die Hubertusstraße durch den Liebfrauenweg und durch die Hölle zurück nach Röttgen dann durch den Heidegartenweg und wieder von vorn. Fünf Runden dauerte ein Rennen. Beinahe das ganze Dorf versammelte sich an diesen Tagen an der Rennstrecke – sogar die Polizei guckte zu, obwohl diese Rennen offiziell gar nicht genehmigt waren.“ Andere Zeiten – andere Sitten.

 

Gäste sind hier seit jeher willkommen

Am Ortsausgang in Richtung Meckenheim kam man damals wie heute am Restaurant Kottenforst vorbei. Das Gasthaus ist seit Generationen in Familienbesitz. Geändert haben sich einzig das Outfit und die Nutzung. Früher war das Restaurant Kottenforst ein populärer Ausflugsort mit einer Gartenwirtschaft, in dem sich nicht nur die Mitglieder des Motorradclubs

regelmäßig trafen. Oft wurde hier auch zum Tanz aufgespielt.

Heute ist aus dem Restaurant ein Hotel Garni geworden, an dessen Rückseite immer noch ein wunderbarer Garten die Hotelgäste zum Erholen einlädt. Aus dem einst düstern Backsteingebäude ist nun ein helles,

modernes Gästehaus geworden, das übrigens immer noch „Kottenforst“ heißt.

 



Der Hof Hommelsheim, ein Aussiedlerhof weit ab vom Dorf

Hof Hommelsheim

  

Das Gehöft, das hier so weit außerhalb im freien Feld liegt, gibt es schon lange nicht mehr. Wer heute dort entlangfährt, befindet sich in den Straßen: Merler Allee, Birkenweg, Am Kottenforst oder Am alten Forsthaus.

 



Das alte Forsthaus

Seit Jahr und Tag schon ist das Alte Forsthaus das letzte Haus Röttgens, bevor die Reichs-straße als lange Allee schnurstracks in Richtung Meckenheim weiterführt. Das Gebäude ist

nach wie vor gut erhalten und nahezu unverändert. Das ehemalige Forsthaus befindet sich heute in Privatbesitz.

Gegründet wurde das Forstamt Kottenforst im Jahr 1817. Die Oberförsterei wurde 1934 zum staatlichen Forstamt. Mit der Schließung 1995 ging die Zuständigkeit über auf das Forstamt Bonn.

 

Kaum zu glauben aber wahr...

 

...einmal im Jahr wurde die Reichsstraße durch Röttgen zur Einbahnstraße erklärt. Anlass

waren die jährlichen Formel 1-Rennen am Nürnburg Ring. Die Autobahn gab es damals noch nicht und so wurde die Reichsstraße vormittags in Richtung Meckenheim zur Einbahnstraße erklärt und abends, nach Rennende, führte sie als Einbahnstraße zurück nach Bonn. „Dann gab es hier viel zu gucken“, berichtet Frau Schmitz. „ Wir haben dann oft im Gasthof Zur Herzogsfreude eine Limo –damals hieß die übrigens Zitsch- bestellt, uns an einen Tisch an der Straße gesetzt und den Autocorso beobachtet, der direkt an unserer Nase vorbei zum Nürnburg Ring fuhr. Und wer das Spektakel morgens verpasst hatte, hatte abends eine zweite Chance.“

 

...der Bundesmeister im Fähndelschwenken 1950 war ein Röttgener Jung und hieß Christian Kerp. Hier ein Foto von ihm aus dem Jahr 1950 in den Straßen Röttgens.


...Röttgen war einst Postkartenidyll! Grüße aus Röttgen wurden unter anderem mit diesen Karten verschickt. Schade eigentlich, dass heutzutage nur noch selten Postkarten verschickt werden. Röttgen jedenfalls würde nach wie vor hübsche Motive liefern. 



Durch Ort und Zeit unterwegs auf der Reichsstraße - Teil I & II finden sich hier

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Durch Ort und Zeit unterwegs auf der Reichsstraße

Teil I der Zeitreise

„Kinder wie die Zeit vergeht!“ – Wer kennt diesen Ausruf nicht? Schon als Kind bekam man diese Worte oft zu hören und mit fortschreitendem Alter kommen sie einem selbst immer wieder über die Lippen -häufig zusammen mit einem tiefen Seufzer sowie großer Verwunderung darüber wie schnell die Zeit vergeht und sich alles um einem herum verändert.  „Alles fließt, unterliegt dem Wandel der Zeit“, so formulierte es einst schon Heraklit (um 550 – 480 v. Chr.).

Die Zeit bringt aber nicht nur viele Veränderungen mit sich, sie radiert auch an den Erinnerungen und manchmal fragt man sich: „Wie war das eigentlich damals – vor 20, 30 oder 50 Jahren?“

Dieser Frage ist auch roettgen-online nachgegangen und hat sich mit einer Röttgenerin, die es wissen muss durch den Ort und die Zeit bewegt. Renate Schmitz bewahrt ihren Heimatort Röttgen sowohl im Herzen auf als auch auf schwarz weiß-Fotos aus vergangenen Tagen. Für roettgen-online öffnete sie ihr Fotoalbum und plauderte über alte Zeiten. Aus einer Schatzkiste voller Geschichten und Bildern haben wir uns eine Straße herausgesucht, die jeder hier kennt: Die Reichsstraße durch Röttgen. Unsere Sightseeing-Tour startete, von Ückesdorf aus kommend, hinter dem Kreisel am Ortseingang von Röttgen und endete am Ortsausgang in Richtung Meckenheim.

 

Der Tonabbau war einst mitbestimmend für Röttgens Ortsbild


Seit den 1920er Jahren bestimmte der Tonabbau das Röttgener Ortsbild maßgeblich mit. Die Tongruben lagen zwar nicht unmittelbar an der Reichsstraße, aber an ihr entlang erfolgte der Abtransport des Materials. So führte eine der Feldbahnen, von der alten Tongrube (heutiger Tennisplatz) aus kommend, nahe am Friedhof vorbei durch Röttgen hindurch über die Flerzheimer Allee bis zum Bahnhof Kottenforst. Auf dem Foto von 1936 erkennt man am linken Bildrand  einige Loren. In den 1960er Jahren hatte der Tonabbau in Röttgen seine Blütezeit, bis er in den 80erJahren endgültig eingestellt wurde. An die Zeit des intensiven Tonabbaus in Röttgen erinnert heute rein gar nichts mehr. Die letzten Loren rollten in den 1980er Jahren. Seitdem sind die Feldbahnen und Loren endgültig verschwunden. Einzig der idyllische Röttgener See, der als Renaturierungs-Maßnahme aus einer stillgelegten Tongrube entstand, erinnert an diesen harten Broterwerb.

 

Aussicht vom Wegkreuz


Unverändert und scheinbar von der Zeit unberührt steht es da, das Wegekreuz aus dem 18. Jahrhundert. Wie ein Wächter harrt es an der Kreuzung in Richtung Hobsweg aus. Die Aussicht vom Wegekreuz hat sich allerdings ein wenig verändert. Die Wiesen, links im Bild, mit dem Streuobstbestand sind schon lange großflächigen Mehrfamilienhäusern gewichen. Auch die Perspektive des damaligen Fotografen hinter dem Kreuz lässt sich nicht mehr

einnehmen, da dort dichte Sträucher wuchern.

 


 

 

 

Der Zahn der Zeit konnte -wie man sieht- auch dem Preußischen Meilenstein aus dem 19. Jahrhundert nichts anhaben. Wie eh und je steht er am Rande der Reichsstraße.

 


Gleich neben dem Preußischen Meilenstein, ein wenig zurückgezogen liegt, hinter einer mächtigen Kiefer, das ehemalige Haus des früheren Gemeindedieners Klemmer. „Ich habe zwar keine alte Fotografie hiervon, aber das Haus sieht, bis auf den roten Anstrich, immer noch so aus wie früher“, versichert Renate Schmitz und erklärt im Vorbeigehen, dass Gemeindediener Klemmer sowas wie der Nachrichtensprecher des Dorfes war. Einmal wöchentlich machte er sich mit seiner großen Glocke auf den Weg durch Röttgen, läutete die Anwohner zusammen und verkündete die neusten Nachrichten und Bekanntmachungen der Stadt Bonn. 1952 gab es zwar schon den General Anzeiger (Gründungsjahr 1889), aber nicht jeder Haushalt konnte sich ein Abo leisten.

 

Ein Erbe von Kurfürst Clemens August: Die ehemalige Gaststätte Stupp


Obwohl schon lange nichts mehr an Schloss Herzogsfreude und den kurfürstlichen Glanz erinnert, lässt ein Haus unweit des Ortseinganges die ehemalige Pracht erahnen: Das ehemalige Gasthaus Stupp. Das stattlich und sehr freundlich herausgeputzte Gebäude macht nach wie vor großen Eindruck. Erbaut wurde es  unter Kurfürst Clemens-August (1700 – 1761) für Heinrich Vaasen (1706 - 1778), der beim Fürsten in hoher Gnade stand. Deutlich später -nämlich Anfang des 19. Jahrhunderts- etablierte sich dort bis Mitte der 80er Jahre der Gasthof Stupp: Lange Zeit ein beliebter Treff für Jung und Alt. Auch heute noch ist das ehemals kurfürstliche Gebäude gut in Schuss. „Allerdings ist der einst so gesellige Gasthof heute kein öffentlicher Treffpunkt mehr“, bedauert Renate Schmitz. Schon seit vielen Jahren ist er im Privatbesitz und beherbergt eine Kunsthandlung sowie ein Antiquariat.

 

 

 

Gleich neben der grünen Toreinfahrt, die zum Hinterhof des ehemaligen Gasthauses Stupp führt, gab es einst den allerersten Lebensmittelladen in Röttgen, erzählt Frau Schmitz. Das große Fenster sei ein letztes Indiz hierfür.

 

 

 

 

Die alte Post

Hätten Sie´s gewusst? Die graue Maus auf dem Foto war mal eine Post. Hier trafen Briefe, Päckchen und Postkarten aus aller Welt ein und wurden umgekehrt von Röttgen aus in die Welt verschickt. Im Erker neben der Eingangstür war der Postschalter. Nichts erinnert heute noch an eine Poststation. „Ach“, sagt Frau Schmitz, “wirklich spektakulär war das Gebäude nie und bis heute ist es auch von der Fassade her fast gleich geblieben“. Das unscheinbare Einfamilienhaus ist heute unbewohnt.

 

Hätten Sie´s wiedererkannt?


Kaum zu glauben: Das Häuschen, das  heute so schmuck daherkommt, war einst Schandfleck von Röttgen.  1932 erbaut war das Haus früher Teil des weitaus größten Bauernhofes hier in Röttgen - dem Stemmer Hof, dessen Wirtschaftsgebäude sich entlang der Reichsstraße bis hin zum Hobsweg erstreckten. Das Einzige,. was aus dem verfallenen Bauernhof gerettet werden konnte, ist ein alter Deutz-Traktor, Baujahr 1954, luftgekühlt. Auch heute noch hat der Oldtimer seine regelmäßigen Auftritte in Röttgen. Und zwar als Zugmaschine bei den jährlichen Kirmes-Planwagenfahrten sowie im Karneval.   

Aktuell befindet sich in dem von Rund auf restaurierten Haus eine Zahnarztpraxis.


Das urige Fachwerkhaus war teil eines großen Bauernhofes


Von der Reichsstraße gut zu sehen, auf den ersten Metern der Dorfstraße steht das definitiv älteste Haus von ganz Röttgen. Das so liebevoll grundsanierte Fachwerkhaus war früher der Wohntrakt eines großen landwirtschaftlichen Betriebes, dessen weitere Gebäude sich bis zum Hobsweg erstreckten. Das Fachwerkhaus ist das Einzige, was von diesem einst so großen Hof übrig geblieben ist.

Bevor es zum Sitz einer Immobilienfirma wurde, konnte man hier noch lecker Essen gehen. Insbesondere zu Karneval platzte die damalige Kneipe namens „Alt Röttgen“ regelmäßig aus den Nähten, denn direkt vor den Fenstern konnten die Gäste den Röttgener Karnevalszug vorbeiziehen sehen.

 

 

Das Kriegerdenkmal unterlag bis heute nur wenigen Veränderungen; insbesondere die Stufen wurden im Lauf der Zeit umgebaut, wie das Foto von 1945, rechts zeigt.

„Röttgen hatte auch mal eine eigene Polizeistation. Hier ist sie.“, sagt Renate  Schmitz und zeigt auf das Gebäude gegenüber des Kriegerdenkmals (Foto rechts). Heute wird die ehemalige Polizeistation als Wohnhaus genutzt, und „sieht aus wie eh und je“, sagt sie. Ein Foto aus alten Zeiten gibt es nicht.

Für Recht und Ordnung wurde früher von diesem Haus aus gesorgt: Die ehemalige Polizeistation.



Lernen in Röttgen


Gleich neben dem Kriegerdenkmal befindet sich die Alte Schule. Heute ist das Backstein-gebäude weiß getüncht. Wo schon damals Kinder lernten, spielen heute die Kinder des Städtischen Kindergartens „Pusteblume“. Trotzdem, fleißig gepaukt wird auch heute noch in der alten Schule, nämlich von den Berufsschülerinnen und –schülern des Robert-Wetzlar Berufskollegs (RWK), das hier eine Außenstelle betreibt.

„Zu meiner Schulzeit gab es hier genau zwei Klassen, in der einen lernten die Kinder gemeinsam vom ersten bis zum vierten Schuljahr und in der anderen Klasse vom fünften bis zum achten Schuljahr“, erzählt Frau Schmitz. Unmittelbar neben der Schule wohnte der Lehrer.

 

Auch bei der St. Venantius-Kapelle hatte Kurfürst Clemens August die Hände im Spiel

Ein weiteres Erbe von Kurfürst Clemens August ist die Kapelle St. Venantius. Aus welcher Zeit das Foto oben stammt, ist nicht bekannt. Sicher ist nur, dass das ursprüngliche Kapellchen mehrmals erweitert und vergrößert wurde.

Noch von Clemens August am 30. Oktober 1740 eingeweiht, war die Kapelle, mit einer Längsausdehnung von ca. 10 Schritten, deutlich kleiner und an der Eingangsseite vermutlich offen. An den viereckigen Raum schloss sich der Chor in Form eines halbierten Sechseckes an. Im Jahre 1866 wurde ein geräumiges Langschiff angebaut. 1936 wurde der Bau nochmals erweitert und erhielt einen neuen Dachreiter.

 

Hinter der Kapelle, erzählt Renate Schmitz, habe es zu ihrer Kindheit eine kleine hölzerne Hütte mit zwei Räumen gegeben. „In dem einen Raum war die Bücherei untergebracht und in dem größeren der beiden Räume stand eine Tischtennisplatte. Hier konnten wir Kinder spielen vor allem, wenn es draußen in Strömen regnete“, erinnert sie sich. Ein Tisch und Stühle gab es jedoch nicht für die Jugendlichen. „Das machte aber auch nichts“, winkt Renate Schmitz ab, “ Wir haben einfach beim nächsten Bauern nach ein paar Strohballen gefragt. Die waren sowieso gemütlicher als jeder harte Stuhl.“ So hatten die Teens von damals schnell einen Deal mit dem Bauern ausgehandelt: Sobald die Strohballen nach langer Nutzungsdauer aus der Form gerieten oder gar zerfielen, stopften sie das lose Stroh in einen Jutesack und brachten es dem Bauern als Einstreu für die Tiere zurück. Im Gegenzug gab es wieder formschöne, fest gebundene Strohballen als Sitzgelegenheit im Landhausstil. Ein Foto von der Hütte und ihrem Interieur existiert leider nicht in Renate Schmitz Fotoalbum.

 

Früher lebte der Pastor noch nah bei seiner Wirkungsstädte


Wie sollte es anders sein, neben St. Venantius befand sich früher das Pastorat. Viel verändert hat sich nicht: Weiße Gardinen in den Fenstern, dunkle Dachschindeln. Weichen mussten die hohen Bäume vor dem Haus und die dunklen Backsteinmauern erhielten im Lauf der Jahre ein weißes Kleid. Bevor in Röttgen die Alte Schule gebaut wurde, diente ein Raum des Pastorats als Klassenzimmer. Zum Vergleich: in der heutigen Schlossbachschule werden Kinder vom ersten bis zum vierten Schuljahr in jeweils drei Klassen unterrichtet. Rund 300 Schülerinnen und Schüler bevölkern das Schulgebäude im Herzogsfreudenweg.

Das ehemalige Pastorat ist auch heute noch bewohnt, allerdings nicht mehr vom Pastor, der ist schon vor langer Zeit ausgezogen. Auch hier hat sich viel verändert.

 

 

Hier endet der erste Teil unserer Zeitreise. Fortsetzung folgt...


Wenn auch Sie etwas aus längst vergangener Zeit über Ückesdorf und /oder Röttgen zu zeigen und zu erzählen haben, nutzen Sie gerne das Kontaktformular und schreiben Sie mir.

Weitere Fotos und Insider-Geschichten sind sehr willkommen, insbesondere auch aus Ückesdorf.

 

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Vom Tagelöhner zum Professor und einem großen Maler seiner Zeit

Die Lebensgeschichte des Röttgeners Hubert Maurer

Stefan Zimmermann, dessen Familie nachweislich über 400 Jahre in Röttgen verwurzelt ist, stellt seinen Lieblings-Röttgener vor und erzählt die Geschichte des Röttgener Malers Hubert Maurer (*10. Juni 1738 in Röttgen, + 10.12.1818 in Wien).

 

Hier ist er, mein Lieblings-Röttgener: Hubert Maurer.

Ein großer Künstler seiner Zeit, den heute leider kaum jemand mehr kennt. Dabei ist die Geschichte des Röttgeners ein American Dream aus dem 18. Jahrhundert. Seine Vita zeigt, wie Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft und Bildung, zu außerordentlichen Leistungen imstande sind. Und hier die Geschichte dazu:

Armut diktiert die ersten Lebensjahre

Als Sohn eines Tagelöhners wird Hubert Maurer am 10. Juni 1738 in der heutigen Dorfstraße in Röttgen geboren. Sein Vater stirbt bereits ein Jahr nach seiner Geburt, und so muss die Mutter sich selbst und den jungen Hubert mit schwerer Handarbeit ernähren. Bereits im Alter von sieben Jahren unterstützt Hubert seine Mutter erstmals, indem er mehrmals in der Woche Holz und Milch den weiten Weg in die Stadt nach Bonn trägt. Schulbildung erhält der

Junge keine. Armut und der tägliche Kampf um das Lebensnotwendigste bestimmen nicht

nur Maurers Kindheit zu jener Zeit.


Für viele Männer und ihre Familien ist es daher geradezu ein Segen, als Kurfürst Clemens August 1752 mit dem Bau des Jagdschlosses Herzogsfreude in Röttgen beginnt., denn der Kurfürst legt großen Wert darauf, die Einwohner Röttgens in sein Bauvorhaben einzubeziehen. Als Tagelöhner finden sie jetzt endlich eine geregelte Arbeit, die ihnen einen bescheidenen Verdienst garantiert. Auch Hubert Maurer tritt -mit gerade mal 14 Jahren- in den Dienst des Kurfürsten. Als Gehilfe der Bauleute muss er körperlich schwer arbeiten: tagein, tagaus schafft er Ziegelsteine und andere Baumaterialien mit dem Schiebkarren für den Schlossbau heran.

 



Auch das hält der Biograf, Johann Sattler, in seinen Aufzeichnungen fest: eine Zeichnung von Maurers Geburts-haus in Röttgen




Schicksalhafte Begegnung mit Kurfürst Clemens August

Glück im Unglück hat Maurer als kurz vor Beendigung des Rohbaus das Baugerüst einstürzt und ihn und einige andere Arbeiter mit in die Tiefe reißt. Maurer kommt mit einigen Arm- und Beinbrüchen davon. Clemens August lässt ihn und die anderen Verletzten von seinem Leibarzt behandeln und zahlt ihnen während der gesamten Krankheitsdauer den normalen Lohn. Eine großherzige Geste, die den Fürsten von einer eher unbekannten aber bemerkenswert fürsorglichen Seite zeigt. Ungekürzte Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall -wo gab es das damals schon?

 

Nach sechs Wochen rappelt Mauerer sich wieder auf und nimmt seine Arbeit am Schlossbau wieder auf. Als der Rohbau fertigstellt ist, wird er zum Handlanger des Hofstuckateurs Sturzenhöfer. Die kunstvollen Arbeiten dieses Mannes erwecken Maurers Interesse. Mit großem Eifer und viel Geschick zeichnet er dessen architektonische Pläne nach - und Maurers Talent bleibt nicht unentdeckt. Johann Georg Winter, Hofmaler Kaiser Karl VII., der sich derzeit ebenfalls im Dienst des Kurfürsten befindet, nimmt ihn bereitwillig unter seine

fachliche Obhut.

 

Der ehrgeizige Maurer lernt schnell und macht Fortschritte, so dass Winter ihn dem Kurfürsten Clemens August vorstellt. Der Kurfürst - ein großer Kunstliebhaber- befreit Maurer vom Wehrdienst und lässt seinem Hofmaler bereitwillig freie Hand bei der Förderung Maurers. Er gewährt ihm selbst einige Jahre später ein Reisestipendium nach Wien an die Kunstakademie.

 

 

Kaiserin Maria Theresia sitzt Maurer Modell

Der Siebenjährige Krieg bleibt jedoch nicht ohne Auswirkungen auf die Kölner Bucht und die Arbeiten am Schloss werden eingestellt. Gemeinsam mit seinem Lehrherrn geht der damals 21-jährige Mauerer nach München. Von dort reist er schließlich auf Empfehlung seines Mentors, 1762 nach Wien, wo er Gehilfe des bekannten Malers und Kapuzinerpaters Norbert

Baumgartner wird. Zeitgleich nimmt er dort ein Kunststudium an der Kaiserlich Königlichen Wiener Akademie auf. Auch an der Akademie -damals die größte und angesehenste Kunstschule Europas- zeigt der talentierte Maurer seine Kunstfertigkeit und erhält gleich mehrere Preise für seine Zeichnungen.

 

Sieben Jahre lang finanziert er sein Studium und seinen Lebensunterhalt über die An-Stellung bei Baumgartner. Für ihn fertigt er große Altarbilder an, die für zahlreiche Kirchen

in Ungarn bestimmt sind. Außerdem hält er sich mit Portraitzeichnungen für Freunde und Bekannte über Wasser. Seine Werke werden bald so populär, dass Auftragsarbeiten verschiedener Fürsten folgen. Einer seiner Auftraggeber und Förderer war Fürst Kaunitz. Über ihn erhält der Röttgener Kontakt zu Kaiser Joseph und Kaiserin Maria Theresia, die ihm sogar Modell sitzt. Das Portrait der Kaiserin, das für den russischen Hof in Petersburg bestimmt war, verschafft Mauerer den endgültigen Durchbruch und macht

ihn zu einem etablierten und gefragten Künstler.

 

Auf Fürsprache der Kaiserin erhält er wenig später ein Reisestipendium in die angesagte Kunstmetropole nach Rom. Hier lebt und arbeitet er fünf Jahre lang (1772 - 1776) und wird sogar zum Mitglied der römischen Akademie ernannt.

 

Erstaunlich ist, dass Maurer erst jetzt, mit 34 Jahren, aus einem Akt der Loyalität heraus Lesen und Schreiben lernt. Schließlich versprach er seinem einstigen Arbeitgeber Fürst Kaunitz bei der Abreise, ihn über seine Arbeit und seine Fortschritte auf dem Laufenden zu halten.

 

Zurück in Wien, erhält Mauerer den Auftrag, Kaiserin Maria Theresia und Kaiser Joseph in Lebensgröße für die Universität Pavia zu malen.

Das hier ist ein Kunstdruck dieses Portraits von Kaiserin Maria Theresia. Es hängt im Flur meiner Praxis. Manchen Menschen ist das Bild zu düster und sie fühlen sich von den Blicken Kaiserin Theresias regelrecht verfolgt. Ich finde aber, vor allem Letzteres spricht für die Genialität des Malers und die Lebendigkeit des Bildes. Ich gehe davon aus, dass das Original farbig gemalt wurde.



Die frühen Antikennachzeichnungen Maurers entsprechen mit ihrem „weichen Stil“, ohne scharfe Konturen, noch ganz dem Geschmack des Spätbarock (1720-1780), markieren jedoch an der Wiener Akademie den Beginn des Frühklassizismus (1760-1820), der sich durch eine einfache und klare Formensprache auszeichnet.

 

Der Sohn eines Tagelöhners wird Professor

Die damalige „Prominenz“ hält viel von Maurers Arbeiten und so folgten zahlreiche Arbeiten für Adelige und hochgestellte Persönlichkeiten. 1785 ernennt Kaiser Joseph ihn sogar zum Professor der bildenden Künste für das Fach der historischen Anfangsgründe an der Kaiserlich-Königlichen Akademie in Wien. 32 Jahre lang bekleidet Maurer dieses Amt, bevor er am 10. Dezember 1818 im Alter von 81 Jahren stirbt.

 

Viel erreicht, aber nur wenig ist geblieben

Maurers große Liebe gehörte der monumentalen Altarbildmalerei. Die meisten dieser Werke waren für Kirchen im ungarischen Raum bestimmt. Eigene Recherchen ergaben, dass viele seiner Bilder aus Geldmangel weder restauriert noch sachgemäß aufbewahrt werden und zunehmend verfallen. Wer sich einige Altarbilder Maurers ansehen möchte, dem empfehle ich eine Reise nach Wien. In der Stiftskirche kann man das Altarbild „Gott Vater in den Wolken“ und in der Wiener Hofkapelle „Die mystische Vermählung der Heiligen Katharina“ bewundern. Ein Selbstbildnis Maurers (1788) befindet sich in der Galerie der Wiener Akademie.

 

Die Geschichte Hubert Maurers fasziniert mich so sehr, weil sie zeigt, dass im Leben nichts unmöglich ist. Beeinflusst durch seine schwierige Kindheit in Röttgen waren sein Leben und sein Handeln bis zum Schluss von Weisheit und Gutmütigkeit geprägt. Die Vorstellung, dass einige meiner Vorfahren ihn persönlich gekannt haben müssen, strahlt zusätzliche Faszination aus.


 


Hier ein Originalbrief Prof. Maurers, in dem er sich für einen seiner Schüler verwendet. Die Art und Weise wie er dies tut zeugt von einer ihm eigenen Bescheidenheit, die schon fast rührend ist.


Verarmt und vergessen

Sein Ende stimmt mich jedoch auch immer ein wenig traurig, denn trotz der großen Anzahl der von Mauerer ausgeführten Bilder, verstarb er in ärmlichen Verhältnissen, weil ein Großteil seiner Bilder unter dem Vorwand bestellt wurde, sie seien für arme Kirchen be-stimmt. Nur die Munificenz des österreichischen Hofes bewahrte den von Bilderhändlern um den wahren Verkaufswert betrogenen Künstler vor einem kummervollen Alter.

 

Leider erinnert in Röttgen nichts mehr an ihn. Der Versuch Professor Maurer im Röttgener Neubaugebiet durch einen Straßennamen ein angemessenes Andenken zu verschaffen, scheiterte im Herbst 2013 in der Bonner Bezirksvertretung.

 

Andenken an Maurer 197 Jahre nach seinem Tod

Dennoch gibt es Hoffnung für den einst so berühmten Sohn unseres Ortes. In meiner Praxis warten derzeit zwei Vitrinen darauf, mit historisch bedeutungsvollen Exponaten aus 

unserem Ort bestückt zu werden. Auch Hubert Maurer wird hier ein würdiges Andenken erhalten. Dank vieler engagierter, geschichtsinteressierter Bürger, sind unsere Bemühungen einen Heimatmuseumsverein zu gründen, weit fortgeschritten. Unser Traum und Fernziel ist,

die Einrichtung eines Heimatkundemuseums hier in Röttgen, denn Röttgen ist auch weit über Maurer hinaus ein geschichtsträchtiger Ort.

 

Einige Links zu einer kleinen Auswahl von Maurers Werken:

Salzburg Museum

Hubert Maurer - Wikipedia

commons.wikimedia.org

artnet.com

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