Persische Lyrik und Musik in der Röttgener Buchhandlung: Ein Abend voller Kraft und Melancholie

Foto: J. Rostami
Foto: J. Rostami

Mit Wucht trafen am Samstag Orient und Okzident in der Röttgener Buchhandlung Goethe und Hafis aufeinander. Der musikalisch lyrische Abend nahm die zahlreich erschienen Gäste mit auf eine Reise in die Literatur- und Musikszene Persiens. Die 1974 im Iran geborene Autorin Pegah Ahmadi, die zu den bekanntesten Gesichtern der iranischen Lyrikszene zählt und bereits zehn Bücher veröffentlicht hat, las in ihrer persischen Muttersprache einige ihrer Gedichte und stellte ihren neusten Lyrikband vor, der nicht zu Unrecht den deutschen Titel „Wucht“ trägt. Übersetzerin und Dolmetscherin Jutta Himmelreich trug Pegah Ahmadis Dichtung an diesem Abend in deutscher Sprache vor. Auch musikalisch trafen hier verschiedene Kulturen aufeinander: Kioomars Musayyebi spielte auf seiner Santur –ein im Irak und Iran charakteristisches Instrument der klassischen Kunstmusik- traditionell persisches Liedgut sowie einen Mix verschiedener Musikstile aus Orient und Okzident.

 

Es war allerdings keine leichte Kost, die hier geboten wurde. Pegah Ahmadis bildgewaltige und kraftvolle Verse sind von tiefer Ernsthaftigkeit durchdrungen. Die Autorin verarbeitet in ihnen u.a. die Situation der Frauen im Iran, beschäftigt sich mit menschlicher Gewalt und Menschenrechtsverletzungen. Selbst bei der Liebe greift sie die eher beschwerliche, mühsame Seite in ihren Gedichten auf. Zeilen wie „Eine Feder ließ sich im Spiegel nieder und geriet in einen Kugelhagel“ sausen wie Hammerschläge auf den Zuhörer nieder und setzen sich in den Köpfen fest.

 

Die Ernsthaftigkeit ihrer Literatur sei nicht nur aus ihren Erfahrungen in ihrer Heimat begründet, sondern auch aus dem Exil und der damit verbundenen Isolation heraus, aus der sie seit ihrer Ankunft 2009 in Deutschland schreibt. „Manchmal“, sagt die Autorin, „wünschte ich mir, ich könnte über nichts schreiben.“ Und meint damit heitere Themen zum Vergnügen und zur Zerstreuung. Pegah Ahmadi will mit ihren Versen aufrütteln, aufmerksam machen auf Missstände und deren emotionale sowie faktische Auswirkungen. Gastgeber Jalal Rostami beschreibt dies folgendermaßen: „Schriftsteller sind eigentlich immer in innerer Aufruhr. Sie wollen und müssen sich daher mitteilen.“ Pegah Ahmadi tut dies in ihrer Dichtung nicht immer zielgerichtet. „Manchmal versuche ich auch einfach nur spontane Bilder, die ich im Kopf habe zu formulieren und über die Sprache dem Leser zugänglich zu machen.“

 

Genau in solchen Fällen ist Übersetzerin und Dolmetscherin Jutta Himmelreich „Froh, dass ich es mit zeitgenössischer Lyrik zu tun habe. Denn bei einer Schriftstellerin, die noch lebt, kann ich jederzeit nachfragen wie Elemente in ihrer Dichtung, die meinem Empfinden nach nicht zueinander passen gemeint sind. Das erleichtert die Transformation der ohnehin schwer übersetzbaren persischen Lyrik ins Deutsche ungemein.“ Schon seit vielen Jahren arbeitet Himmelreich gemeinsam mit Pegah Ahmadi. Seit deren Ankunft in Frankfurt am Main hat die Dolmetscherin jedes ihrer Werke übersetzt. So auch den Gedichtband „Mir ist nicht kalt (Sardam Nabud)“, der unter dem Eindruck des Sommers 2009 entstand und im Bremer Sujet Verlag zuerst auf Farsi und dann auf Deutsch erschienen ist. „Wucht“ ist das jüngste Werk ihrer gemeinsamen Arbeit.

 

Aufgelockert wurde das Programm durch musikalische Einlagen des Santurspielers Kioomars Musayyebi. Wie kaum ein anderer beherrscht er die 72 Saiten des Instrumentes und bringt dem Zuhörer dessen Klangmischung aus einerseits warmen grundtönigen Bässen und andererseits spitz klingenden oberen Tonlagen näher. Dabei widmet sich der Künstler, der u.a. als freier Dozent und Santurlehrer arbeitet, nicht nur der traditionellen persischen Musik, sondern mixt zunehmend die verschiedensten Musikstile und tritt mit Musikern aus der ganzen Welt auf. Sein Instrument sei die verfeinerte Urform des Hackbrettes und gehöre einer Instrumentenfamilie an, die von Westeuropa (Hackbrett) über den Vorderen Orient bis China verbreitet ist, erläutert der Musiker auf Nachfragen aus dem Publikum.

 

Eines hatten der Klang der Santur und die gespielten Melodien mit den Rezitationen gemein: Beide waren durchdrungen von Melancholie. „Ja“, lächelt Jalal Rostami mit leicht fatalem Achselzucken, „wir Iraner sind nun mal ein melancholisches Volk.“

 

Am Ende der Veranstaltung nutze das deutsche und iranische Publikum ausgiebig die Gelegenheit in den Dialog mit den Künstlern zu treten und Fragen zu stellen, die weit über das Gehörte hinausgingen.

 

Mit deutsch-persischen Lesungen und musikalischen Abenden macht sich macht sich Jalal Rostami immer wieder für die Verständigung von Orient und Okzident stark. Insbesondere als Verleger (Goethe & Hafis) fördert er Schriftsteller, die im Exil leben und arbeiten und gibt ihnen so eine Stimme. Sein Engagement zur Völkerverständigung brachte ihm im August 2017 das Gütesiegel des Deutschen Buchhandlungspreises ein. Auch die jüngste Veranstaltung am Samstagabend offenbarte den Gästen einen weiteren Einblick in die persische Mentalität und Kultur.

 

Fotos: Jalal Rostami

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