Mazedonien: „In Gevgelija einer kleinen mazedonischen Stadt nahe der Grenze, erhielten wir eine Aufenthalts-erlaubnis für 72 Stunden“, berichtet Camiran. Mit einem Taxi ging es in Richtung Serbien. 120 Euro die Fahrt. Die Angst vor Dieben sei hier besonders groß gewesen, sagt er. Die Menschen in Mazedonien hätten selbst nicht viel zum Leben. Manch einer der Flüchtlinge sei so schon frühzeitig um das Geld für den Schlepper erleichtert worden. Aber auch unter den Flüchtlingen selbst habe stets Misstrauen geherrscht. So habe er immer streng darauf geachtet, Geldüberweisungen von seiner Familie erst kurz vor der Übergabe an einen Schlepper abzuholen.


An der Grenze zu Serbien schlich er erneut durch Gebüsch und weite Grasflächen, diesmal in einer Gruppe mit neun weiteren Flüchtlingen, darunter zwei Kinder im Alter von drei und fünf Jahren. Die Anspannung sei diesmal noch wesentlich stärker gewesen als zuvor. Jeder fürchtete, dass die beiden Kinder weinen oder vor Angst aufschreien und sie verraten könnten. Und dann der Schock: ein etwa 40-jähriger Mann konnte den Strapazen seiner langen Flucht nicht länger standhalten. „Er konnte nicht weiter, blieb einfach liegen, starb“, berichtet er nüchtern. Aber seine Körpersprache verrät etwas anderes: seine Finger verschränken sich dabei so fest, dass seine Knöchel weißlich hervortreten und erst nach einer längeren Erzählpause war er gefasst genug, das Gespräch fortzuführen. Was aus dem Mann und seinem 15-jährigen Sohn geworden ist? Camiran weiß es nicht.




Serbien & Ungarn:

„Um Serbien verlassen zu können, brauchten wir eine polizeiliche Erlaubnis“, erzählt er. Vor der Polizeistation standen bereits lange Menschenschlangen von 300 und mehr Personen. Frierend verbrachte er eine Nacht auf dem kalten und harten Boden vor der Wache. Mit den begehrten Papieren in Händen ging es per Taxi und Bus weiter über Skopje nach Belgrad. Drei Tage vergingen, bis er einen Schlepper stieß, der ihn und 19 andere in einem Bully an die ungarische Grenze und weiter bis nach Österreich transportierte. 1500 Euro pro Person verlangte er dafür. Um zwei Uhr nachts gelang es der Gruppe heimlich und ohne große Zwischenfälle sowohl die Ungarische als auch die

Österreichische Grenze zu passieren.

 


 


Österreich:

Camiran fand eine Mitfahrgelegenheit nach Wien. Von dort aus reiste er mit dem Zug nach München.







Deutschland:

Auch hier hatte er ungemeines Glück, wie er selbst sagt. Ohne kontrolliert zu werden, konnte er seine Fahrt mit dem Zug nach Bonn fortsetzten.

 


Auf die Frage nach ihren Wünschen für die Zukunft antwortete Camiran: „Als erstes möchte ich Deutsch lernen und mein Studium beenden. Ich möchte hier in Frieden leben und arbeiten und ein ganz normales Leben führen.“ Sobald sich die Situation in seinem Land normalisiere, möchte er gern wieder in seine Heimat zurückkehren, aber eine Lösung der Konflikte sehe er nicht so schnell.

Hoffen auf eine bessere Zukunft: Camiran und seine Tante Nazhat
Hoffen auf eine bessere Zukunft: Camiran und seine Tante Nazhat
Nazhat kennt Frau Mohr (Mi.) schon ein Jahr lang, und bat sie um Hilfe für Camiran.
Nazhat kennt Frau Mohr (Mi.) schon ein Jahr lang, und bat sie um Hilfe für Camiran.

Nazhat sagt dazu: „Ich möchte noch besser Deutsch lernen, meine Kinder können es nach einem Jahr hier beinahe perfekt. Das wichtigste für uns ist ein Leben in Frieden, Arbeit zu haben und für die Kinder eine gute Ausbildung. Das alles hatten wir vor Kriegsausbruch auch in unserer Heimat. Es ging uns dort wirklich gut. Für unsere Kinder war es schlimm, durch den Krieg und während der Flucht vier Jahre lang nicht zur Schule gehen zu können. Jetzt sind sie glücklich und freuen sich auf jeden neuen Schultag. “ Und obwohl sie und ihre Familie sehr dankbar sind für die große Hilfsbereitschaft, sagt sie mit tränenerstickter Stimme, sei es ihr allergrößter Wunsch, eines Tages wieder in die Heimat zurückkehren zu können. Und dann wolle sie alle, die ihnen hier so uneigennützig geholfen haben zu einem großen Fest in Syrien einladen- ein Traum, der vielleicht niemals wahr werden wird.

 

Was macht Camiran jetzt?

Nachdem er sich hier einige Tage ausruhen und stärken konnte, meldete er sich in Dortmund bei der Aufnahmestelle. Momentan befindet er sich in einem Umverteilungsverfahren.