Resümee: Ein Jahr ökumenische Flüchtlingshilfe in Röttgen

Foto: Christine Neumann-Giesen: Eine eingespieltes Team- die Flüchtlingshelfer der ökumenischen Flüchtlingshilfe Röttgen
Foto: Christine Neumann-Giesen: Eine eingespieltes Team- die Flüchtlingshelfer der ökumenischen Flüchtlingshilfe Röttgen

Ziemlich genau vor einem Jahr sind die ersten Flüchtlinge in den ehemaligen katholischen Kindergarten und das angrenzende Titze-Haus eingezogen. Zu Beginn waren die entsprechend umgebauten Räumlichkeiten Herberge für ca. 45 alleinstehende junge Männer, was schon im Vorfeld für viel Wirbel in Röttgen gesorgt hat. Nach und nach fand jedoch ein Austausch der Bewohner statt. Heute leben in dem Flüchtlingsheim acht afghanische und syrische Familien (insgesamt ca. 47 Personen).

 

Gegenseitiges Kennenlernen beim Begegnungskaffee

„Es war ein aufregendes, ein spannendes Jahr“, erzählt Christine Neumann-Giesen.Sie ist eine von rund 30 freiwilligen Flüchtlingshelferinnen und –helfern aus Röttgen und Ückesdorf und war von Anfang an dabei, als die beiden Kirchengemeinden Christi Auferstehung und die evangelische Kirchengemeinde am Kottenforst unter der Federführung von Diakon Werner Preller und Pfarrer Jörg Zimmermann die Betreuung der Flüchtlinge organisierten. Ein Begegnungskaffee diente zur ersten Kontaktaufnahme und besserem Kennenlernen. Dank der großen Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung waren für jede Familie und zum Teil auch für einzelne Familienmitglieder schnell Paten gefunden, die sich bis heute mit viel Einfühlungsvermögen und Herzblut für die Integration dieser Menschen einsetzten. Dabei geholfen hat auch die Überzeugungskraft von Pfarrer Jörg Zimmermann, durch die selbst einige Unentschlossene den Weg in die Flüchtlingshilfe fanden. So auch Peter Altendorf: „Zuerst wollte ich nicht so recht und heute weiß ich schon gar nicht mehr warum. Die Flüchtlingshilfe beansprucht zwar viel Zeit, aber man bekommt so unendlich viel mehr zurück. Ich kann für mich nur sagen, dass ich Pfarrer Zimmermann immer noch sehr dankbar für seine Überzeugungskraft bin.“

 

Jeder hilft nach seinen Möglichkeiten

Nach dem Prinzip der Patenschaft übernimmt jeder Pate die Verantwortung für eine Familie oder eine Einzelperson. Dabei muss er sich jedoch nicht zwangsläufig um alle Bereiche der Flüchtlingsbetreuung kümmern. „Jeder kann sich mit seinen Fähigkeiten und seinem individuellen Zeitbudget bei der Betreuung der Erwachsenen und Kinder einbringen. So verteilt sich die Arbeit auf viele Schultern und schützt auch die Helfenden vor Überforderung“, erklärt Christine Neumann-Giesen. Denn, die Anforderungen an die Ehrenamtlichen sind groß: Behördengänge, Unterstützung bei den Sprachkursen, Hausaufgabenbetreuung, Wohnungssuche, Begleitung bei Arztbesuchen und einüben von Gesprächsfloskeln, das Vermitteln von „typisch“ deutschen Eigenschaften wie Pünktlichkeit, Ordnung, der anders strukturierte Tagesablauf. „Mittlerweile sind wir ein gut eingespieltes Helferteam“, berichtet Martina Schaffers, „falls ein Pate feststellt, dass ihm eine Aufgabe nicht liegt, findet sich immer ein anderer, der gern einspringt und umgekehrt.“ Die Flüchtlingsfamilien zeigen ihre Dankbarkeit regelmäßig durch Einladungen zum Tee oder zu landestypischen Mahlzeiten.

 

„Ah, jetzt in meine Kopf“

Allerdings, nicht alles verläuft reibungslos. Immer wieder erstaunt die Helfer der nötige Erklärungsbedarf im Alltäglichen. Wie bediene ich eine Waschmaschine, warum spült man nicht jedes einzelne Geschirrteil unter fließendem Wasser und wieso muss das Geschirr danach abgetrocknet werden, nach welchen Kriterien wird der Müll getrennt, wie beschrifte ich einen Brief oder verschicke ein Päckchen, was sind gängige Umgangsformen in Deutschland,…? Manches ist mühsam. Insbesondere bei der Erledigung von behördlichen Formalitäten müssen die Helfer immer wieder bei den Familien nachhaken. Eine wahre Herkulesaufgabe sei die Wohnungsbeschaffung für anerkannte Flüchtlinge, sagt Christine Neumann-Giesen. Kaum jemand sei bereit eine Wohnung an Flüchtlinge zu vermieten, obwohl die Mietzahlungen durch das Jobcenter gesichert sind. Dennoch betreuen die Flüchtlingshelfer mittlerweile auch 24 Flüchtlinge, die im Laufe des Jahres vom Flüchtlingsheim in Wohnungen in Röttgen und der näheren Umgebung umziehen konnten.

 

Diskussionen gibt es immer mal wieder um die Notwendigkeit Integrationskurse zu besuchen. Neumann-Giesen: „Manche Familien weigern sich einfach in diese Kurse zu gehen. Da ist Überzeugungskraft und Beharrlichkeit seitens der Helfer gefragt.“ Hilfreich dabei seien die gemachten Erfahrungen aus diesem Jahr, denn nicht nur die Flüchtlinge müssen hier viel Neues lernen, auch die Paten haben Verständnis für eine ihnen völlig fremde Kultur aufbauen können. „Wenn es denn einmal Klick gemacht hat und Einsicht in die Köpfe eingekehrt ist, lernen vor allem die jungen Frauen sehr schnell“, erzählt Martina Schaffers. Wann bei ihrem „Patenkind“ der der Groschen gefallen ist, weiß sie immer ganz genau. Mit erhobenem Zeigefinger sage die Syrerin dann: „Ah, jetzt in meine Kopf.“

 

Das bisher emotionalste Erlebnis war die Geburt des kleinen Daniel im Januar dieses Jahres. Der Mutter sei es sehr wichtig gewesen, dem Baby einen deutschen Namen zu geben. Germany habe sie es taufen wollen, berichten die Paten. Nach gemeinsamen Überlegungen ist aus Germany dann Daniel geworden.

 

Familiäres Miteinander und erste Integrationserfolge

Durch die Kooperation mit der OGS in Röttgen finden bereits Kinder im Grundschulalter beim gemeinsamen Spielen zueinander. Selbstorganisierte Ferienprogramme der Paten und gemeinsame private Unternehmungen von Betreuer- und Flüchtlingsfamilien, das Sportangebot bei Rot-Weiß Röttgen sowie Leseabende und sind nur einige wirksame Integrationsmaßnahmen. Drei der Kinder gehen bereits in Röttgen in den Kindergarten, acht sind auf der Schlossbachschule und ein Kind besucht das CvO. Andere Jugendliche besuchen die Realschule oder das Berufskolleg.

 

Insgesamt 25 Flüchtlinge sind im Sportverein Rot-Weiß Röttgen (RWR) aktiv. Kinderturnen, Fußball, die Walking-Gruppe, Aerobic, Zumba und Kraft und Ausdauer zählt Peter Altendorf die beliebtesten Kurse auf. Altendorf ist erster Vorsitzender des Sportvereins RWR und gemeinsam mit seiner Frau Pate einer Flüchtlingsfamilie. Zwar nehmen die jungen Frauen hauptsächlich an den rein von Frauen besuchten Zumbakursen teil, interessant sei aber zu sehen, wie die Kopftücher hier langsam fallen.

 

Früchte tragen auch die von Ute Zimmermann-Thiel eingerichteten Deutschkurse vor Ort mit paralleler Kinderbetreuung. Einige der syrischen Flüchtlinge sind mittlerweile so weit, dass sie selbst als Dolmetscher für Neuankömmlinge fungieren können.

 

„Im Laufe des Jahres sind nicht nur die Helfer untereinander zu einer festen Gemeinschaft zusammengewachsen, sondern auch zu den Flüchtlingsfamilien hat sich ein familiäres Verhältnis entwickelt“, resümiert Christine Neumann-Giesen. Die Flüchtlingsbetreuung ist jedoch keine statische Angelegenheit. Anerkannte Flüchtlinge ziehen aus der Unterkunft aus neue Familien kommen hinzu. Ähnlich ist es mit den Paten, so werden immer wieder Paten für die Neuankömmlinge gesucht.

 

Dankbar sind die Helfer für die enorme Spendenbereitschaft in Röttgen und Ückesdorf. Neben Möbeln, Haushaltsgegenständen und Kleidung seien sogar genügend Fahrräder für jede Familie zusammengekommen. Insbesondere die Frauen mussten aber erst mal das Radfahren erlernen. Mit Unterstützung von Paul Kreutz von der ADFC Radfahrschule traten neben den Frauen auch Männer und Kinder in die Pedale und erlernten die wichtigsten Verkehrsregeln. Nebenbei gab es einen Crash-Kurs wie man einen platten Reifen flickt und kleinere Reparaturen am Fahrrad selbst erledigt.

 

Sachspenden für die ökumenische Flüchtlingshilfe an die Kleiderstube in Röttgen

Auch weiterhin ist die ökumenische Flüchtlingshilfe auf Spenden angewiesen. Dabei kooperiert sie eng mit der Röttgener Kleiderstube. „Wenn Sie für die Flüchtlingshilfe spenden möchten, bringen Sie Ihre Spenden bitte nicht zum Flüchtlingsheim, sondern zur Röttgener Kleiderstube, wir holen uns dort alles Notwendige ab“, bittet Neumann-Giesen.

 

Kleiderstube Röttgen, Reichsstr. 23, Bonn-Röttgen

Öffnungszeiten: Mo. 16-17 Uhr und  Mi. 15-16 Uhr

Ansprechpartner:  Cornelia Bross, Tel.: 0228-25 55 89 und

Uta von der Ropp, Tel.: 0228-71 01 57 71

 

Ganz aktuell benötigt die ökumenische Flüchtlingshilfe:

Einen Sport-Kinderwagen

Kinderbett/ Etagenbetten

 

Interessierte Paten können sich per Mail bei Christine Neumann-Giesen melden:

neumann-giesen@t-online.de 

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