Braucht man so was überhaupt? - literarisches zum Bücherschrank

Literarisches zum Bücherschrank  von Stefan Birckmann
Literarisches zum Bücherschrank von Stefan Birckmann

Guten Tag, ich bin Stefan Birckmann, einer Ihrer Nachbarn, An den Eichen wohne ich und engagiere mich für den offenen Bücherschrank in Röttgen...

 

Wieso macht jemand so etwas?

 

Es gibt keine Bücherschränke im Kongo.

Es gibt auch keine Bücherschränke in Timbuktu, da sind nämlich schon alle Bücher verbrannt.

 

Als ich das erste Mal nach Bonn kam und Richtung Poppelsdorfer Schloß ging, sah ich einen schicken Eisenschrank mit Menschen davor.

Sie lasen Bücher.

Es dauerte Momente bis ich realisierte, was es mit dem schicken Schrank eigentlich auf sich hatte.

Es war ein offener Bücherschrank.

 

Wir können froh sein, dachte ich, Bücher zu haben. Bücher die wir teilen können und Bücher, die für uns eine Bedeutung haben. Nicht nur als Bürger der mit Bildung und Frieden in der Nachbarschaft lebt, nein, alle bedürfen des Wortes von Mensch zu Mensch.

Sei es gesprochen oder geschrieben.

 

Vom Kongo kommend, dann in Bonn gestrandet, besonders Röttgen, dachte ich, hier könnte man eigentlich einen weiteren Bücherschrank sehr gut gebrauchen.

 

Während der Recherche stieß ich auf ein Papier. Titel: Die Leute stellen keine Erstausgaben rein, hieß es.

 

Unter anderem stand darin, dass es mittlerweile über 800 Bücherschränke deutschlandweit gibt. Wow. Und 10 davon allein in Bonn.

 

Und auch welchen Konflikt manche Menschen mit dem Bücherschrank haben, stand nachzulesen. Sei es emotional oder geschäftlich.

 

Diverse Buchhändler kamen da im Artikel zu Wort. Ihr Spektrum zum Bücherschrank wurde beschrieben von „ist geschäftsschädigend“ bis „seit dem der Bücherschrank steht, kauft man wieder vermehrt bei mir“...

Und es wurde die Historie des Bücherschrankes beschrieben, wie es begann. Die Initialzündung, die erste Idee, wen wundert es, kam aus Amerika. Erstmalig in den 90er Jahren wo man Stromschaltkästen umfunktionierte, um der Öffentlichkeit Bücher in einer freien Bibliothek zur Verfügung zu stellen.

 

Die Idee wurde mitgenommen und 1996 stellte Michael Ibsen im Johannisviertel zu Darmstadt ein Regal vom Sperrmüll mit Büchern auf. Bis zum Jahr 2002 dauerte es, so stand zu lesen, bis die Bürgerstiftung Bonn einen Wettbewerb ausschrieb zur Verbesserung des gesellschaftlichen Lebens, den Trixy Royeck gewann.

 

Sei es wie es sei, DAS ist etwas wofür es sich lohnt klappern zu gehen, ging es mir durch den Kopf.

Ohne wirklich zu wissen worauf ich mich eigentlich einlasse.

Eine Reise beginnt mit dem ersten Schritt und dem Reiseziel im Blick. Also zuerst Kontakt mit der Bürgerstiftung. Mit dem Geschäftsführer der Stiftung, Herrn Jürgen Reske traf ich mich am 30.6. 2015 auf dem Schloßplatz zu Röttgen.

 

Es war ein freundliches positives Gespräch und ein guter Geist, der das „Unternehmen offener Bücherschrank“ auf meinem Weg nie verlassen sollte. Nach allerlei Informationen, wirklich guten Ratschlägen und Freundlichkeiten, war klar: Kohle muss her!

 

Aber zu allererst, die Besitzrechte des Standortes klären.

 

Man war sehr hilfreich von Seiten des Katasteramtes und es wurde Auskunft gegeben über die Gemarkung des Standortes.

 

Das Weitere, ist frei nach Goethe: 1 Prozent Inspiration, 99 Prozent Transpiration.

 

Guten Tag, ich bin Stefan Birckmann, einer Ihrer Nachbarn, An den Eichen wohne ich und engagiere mich für den offenen Bücherschrank in Röttgen...

 

Tür zu Tür. 1:1.

 

Willst du den Menschen begegnen, musst du ein Wort an sie richten.

Willst du die Menschen mit denen du lebst kennenlernen?

Dann muss man in Aktion treten.

 

Auch eine Intension des Schrankes. In Aktion treten.

 

Guten Tag, ich bin einer Ihrer Nachbarn, An den Eichen wohne ich und engagiere mich für den offenen Bücherschrank in Röttgen...

 

Jeder Mann und jede Frau, die unvermittelt mir die Tür öffneten bekamen klappernd die Spendenbüchse vorgehalten.

 

Das erste, was auffällig war, war, das Vertrauen der direkten Nachbarn und auch der anderen Anwohner Röttgens. Das ich sehr zu schätzen lernte.

Auch die offen gezeigte Freude darüber, dass jemand loszieht und etwas macht.

 

Es war immer Zeit für ein Gespräch. Auch wenn nicht immer Bücherfans die Tür öffneten.

So wurde ich zum Tee eingeladen oder freundlich bedacht mit, manchmal sehr großzügiger Spende.

Ich, Fremder.

 

Der Gang für den Bücherschrank hat Kraft gegeben, auch die Idee, die ja im Grunde einfach ist, so rüber zu bringen, dass es auch die Idee der Angesprochenen wurde.

 

Ein Satz aus Röttgen, wird mir allerdings immer haften bleiben:

„Ach, ich/wir haben noch so viele Bücher im Keller stehen, die können sie alle gleich mitnehmen.“

„Die sind einfach zu schade zum Wegschmeißen“, war dann der Nachsatz.

 

„Aha“, sagte ich, „dann könnten Sie ja den Bücherschrank mit tollen Büchern ausstatten“.

 

Und so ging es weiter von Tür zu Tür.

 

Guten Tag, ich bin einer Ihrer Nachbarn, An den Eichen wohne ich und engagiere mich für den offenen Bücherschrank in Röttgen...

 

Es war wohl mein „scheinbarer Wert“, face value, dass die Menschen sagten: „Ich gebe 2 Euro, 5 Euro oder hier haben sie 10.“ Höhere Spenden, wie erwähnt, gab es noch von anderen Wohlmeinenden.

 

Man gab dem Mann an der Tür, Geld in bestem Vertrauen. Es war eine ganz besondere Erfahrung.

 

Ein Buch. Nur Einzelne sprachen über diesen Wert.

Liegt es daran, dass vielleicht vieles nur noch mit Popcorn zu genießen ist? Entspannungsliteratur für den Urlaub? Bestseller über Mord und Totschlag, Finsternis der

Seele und Abgründe in der Familie?

 

Was macht die Magie eines Buches überhaupt?

Was macht das gedruckte Wort so faszinierend, dass Menschen sogar beginnen die geschriebenen Worte zu sammeln?

 

Ich schreibe selbst. Es ist mir ein tiefes inneres Bedürfnis mich auszudrücken, nicht unbedingt mich zu erklären, doch zu sagen was in Kopf und Leben so vorgeht. Es mag nicht für jeden wirklich interessant sein, darum geht es auch nicht.

 

Auch um Missverständnisse auszuräumen, es gibt wunderbare Popcorn-Literatur und manchmal bin ich neidisch was einem Kollegen oder Kollegin da so alles aus dem Handgelenk floss.

 

Nein.

Ein Buch ist auch Freund, man ist traurig wenn das letzte Wort gelesen und man Teilhabe an einer Geschichte hatte, einer Dokumentation oder der Fantasie eines Menschen.

Ein Buch kann Trost geben, ist bewegend und erhellend oder schlicht weg großartig.

 

Bücher sind ein Gewinn, etwas, das die Welt schon immer bewegt hat, seitdem es Bücher gibt.

Sei es der Gilgamesch Epos vor 4000 Jahren oder Arthur C. Clarkes 2001 – Eine Odyssee im Weltraum.

Bücher inspirieren, können Schönheit im Leben aufzeigen und neue Gedanken hervorbringen. Fortschritt bedeuten.

 

Ein Bücherschrank ist daher mehr als nur ein Ding mit Altpapier darin und der Frage: Was soll das?

 

Ein Bücherschrank ist die Möglichkeit sich im öffentlichen Raum zu begegnen und auszutauschen, Gespräche zu führen. Andere zu befruchten.

 

Es kostet niemanden etwas wirklich, außer einem gebrauchten Buch von dem man glaubt, es wäre interessant, dass andere es auch mal lesen sollten.

 

Dann denke ich wieder an den Artikel, den ich zur Vorbereitung las.

„Die Leute stellen keine Erstausgaben rein“,

 

Müssen die Leute auch gar nicht, ist mein Gedanke dazu. Es gibt so viel Ungelesenes noch zu entdecken, fangen wir doch erst einmal damit wieder an.

 

Und dass Menschen für oder gegen einen Bücherschrank sind, war ja auch noch vernehmlich.

 

Dazu denke ich wie großartig es doch ist, überhaupt ein Angebot zu haben und die Wahl.

 

Wie gut wir es doch haben, dass wir uns entweder sträuben können wie kleine Kinder, die sich nicht anziehen lassen wollen oder etwas geschehen zu lassen, dass uns alle etwas angeht und gemeinsam weiterbringt. Wie eben ein weiterer offener Bücherschrank.

 

Am Ende sei der Bürgerstiftung Bonn, gedankt für die Ermöglichung des Projektes, auch hier besonders dem Vorstandsvorsitzenden Herrn Werner Ballhausen und dem Geschäftsführer der Stiftung, Herrn Jürgen Reske, für dessen immerwährende Unterstützung und Begleitung.

 

Mein persönlicher abschließender besonderer Dank geht an Jana, Lena, Leon und Kim Gerdes, für ihren großzügigen Beitrag in allen Lebenslagen.

Danke Euch und allen, die gegeben haben, egal in welcher Höhe.

 

Bücher sind vielleicht „old fashioned“ aber vielleicht noch mehr „old fashioned“ sind Bücher mit Gedichten und so erlaube ich mir Ihnen zum Abschluss zwei Gedichte vorzutragen.

 

„Mystery Train“ und „Die Liebe besiegt alles“ - © 2016 Stefan Birckmann.

 

 

Mystery Train

 

Von  Quetta gekommen

Brennt in der steinigen Weite Balochistans Auf eingleisiger Spur ein  Zug

Wie der da so steht 16 Waggons lang

Steigt dunkel Rauch  himmelhoch

Der Zugführer hat angehalten, springt aus der Lok Warnt die Passagiere

Koppelt das Brennende  ab

Die Reisenden rennen Retten sich

Der Held läuft atemlos zum  Führerhaus

Der Zug rollt ächzend  an

Fährt südwärts mit noch drei  Waggons

Lässt die lodernden Wagenskelette hinter   sich

Die Menschen sind in Sicherheit Dank

„Casey“ Jones

In der Ödnis Flammen speiend Verbrennt der Rest

 


Die Liebe besiegt alles

 Die Liebe weiß nichts von der Liebe Die Liebe ist rein

 

Nicht personell

 

Die Liebe ist die Unschuld Die Liebe selbst zu sein

 

Die Liebe gibt Die Liebe nimmt Ohne Bedingung

 

Die Liebe ist aufrichtig Nie falsch

 

Die Liebe kämpft nicht Die Liebe tötet nicht

 

Die Liebe verliert sich nicht

 

Die Liebe ist nie unerfüllt Nie hoffnungslos

 

Nie unerwidert

 

Die Liebe ist nicht mittelmäßig Die Liebe ist nicht bitter

 

Ist nicht hässlich Nicht feige

 

Die Liebe verspricht nicht Die Liebe ist nicht töricht

 

Die Liebe ist verzeihen Die Liebe ist sanft

 

Die Liebe ist stark

 

Die Liebe ist ohne Kompromiss Ist großzügig

 

Geduldig Verstehend

 

Langmütig

 

Die Liebe gehört niemandem Die Liebe ist frei

 

Die Liebe ist zeitlos Hört nicht auf zu sein

 

Die Liebe ist Sieger

(Text Stefan Birckmann)

 

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